Videoüberwachung

Experte Peter Wedde empört über BAG-Urteil

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Quelle: © Kadmy / Foto Dollar Club

Arbeitsgerichts-Urteile zur digitalen Überwachung gab es zuletzt viele. Nun hat das BAG die Regeln für Videoüberwachung erneut gelockert. Es hält auch das langfristige Speichern von Daten für zulässig. Unser Experte Prof. Dr. Peter Wedde ist empört. Was er Betriebsräten rät und wie sie reagieren sollten, erfahren Sie hier.

Was besagt die BAG-Entscheidung?

Prof. Dr. Peter Wedde:

Ein Geschäftsraum wurde permanent mit einer Videokamera überwacht. Die Videodateien wurden über mehr als ein halbes Jahr gespeichert. Regelmäßige Auswertung der Videos unterblieben aus Zeitgründen. Nach der Feststellung von Inventurdifferenzen wurden u.a. auch mehr als sechs Monate alten Aufzeichnungen stichprobenartig durchgeschaut. Ergebnis war die fristlose Kündigung einer 450 €-Kraft, der vom Arbeitgeber unter Hinweis auf die Aufzeichnungen Unterschlagungen von Einnahmen zur Last gelegt wurden. Der 2. Senat hält die Auswertung langfristig vorgehaltener Videoaufzeichnungen, im Gegensatz zu den Vorinstanzen, grundsätzlich für zulässig.

Näheres zu der BAG-Entscheidung lesen Sie hier.

Wie bewerten Sie die Entscheidung?

Prof. Dr. Peter Wedde:

Da bisher nur eine kurze Pressemitteilung des BAG vorliegt, ist eine abschließende Bewertung nicht möglich. Die bisher mitgeteilten Argumente überzeugt jedoch nicht, weil vom 2. Senat offensichtlich weder das mögliche Vorliegen einer datenschutzrechtlich unzulässigen Vorratsdatenspeicherung gesehen wurde noch eine unzureichende Festlegung der Verarbeitungszwecke sowie das Fehlen der gesetzlich vorgegebenen Datenminimierung. Im Gegenteil: Nach Auffassung des 2. Senats sollen Arbeitgeber mit Auswertungen vorhandener Videoaufzeichnungen vielmehr so lange warten dürfen, bis sie hierfür ein berechtigtes Interesse sehen. Das käme einer »Lizenz zur Vorratsdatenspeicherung« gleich.

Für den aktuellen Fall war noch das alte Datenschutzrecht anwendbar. Wie wäre nach der neuen Datenschutz-Grundverordnung zu entscheiden?

Prof. Dr. Peter Wedde:

Eine zeitlich unbegrenzte bzw. sehr langfristige Speicherung von Videodaten von Beschäftigten war schon nach dem »alten« Datenschutzrecht unzulässig. Eine Berechtigung hierfür findet sich auch im neue Datenschutzrecht nicht. Bezogen auf die Aufklärung von Straftaten durch einzelne Arbeitgeber gilt hier weiterhin, dass entsprechende Verarbeitungen einen durch Tatsachen dokumentierter Verdacht voraussetzen. Zudem ist eine mehr als halbjährige Speicherung von Videodaten »auf Vorrat« nicht mit den im neuen Art. 5 Abs. 1 DSGVO enthaltenen Grundsätzen zur Zweckbindung, zur Datenminimierung und zur Speicherbegrenzung zu vereinbaren. Sie steht zudem im Widerspruch zu den zwingenden Grundsätzen einer Verarbeitung nach Treu und Glauben und in transparenter Form. Nach neuem Recht könnten aus diesen Widersprüchen für Arbeitgeber im Einzelfall hohe Geldbußen folgen.

Was raten Sie Betriebsräten und Arbeitnehmern?

Prof. Dr. Peter Wedde:

Betriebsräte sollten bei jeder Form geforderter Videoüberwachung eine klare Zweckfestlegung sowie kurze Löschfristen einfordern. Totalkontrollen von Beschäftigten müssen dabei ausgeschlossen werden. Gibt es keinen Betriebsrat, können betroffene Arbeitnehmer die staatlichen Aufsichtsbehörden vertraulich um Hilfe bitten, wenn Totalkontrollen per Videokamera erfolgen. Die Aufsichtsbehörden müssen dann prüfen, ob Verstöße gegen zwingende Vorgaben des Datenschutzrechts vorliegen. Und auch als Kunde kann man in Geschäften durchaus nachfragen, ob und wie lange Videoaufnahmen hier gespeichert werden.

© bund-verlag.de (ls)

Im Gespräch mit

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Dr. Peter Wedde

Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft an der Frankfurt University of Applied Sciences, wissenschaftlicher Leiter der d+a consulting GbR in Eppstein und wissenschaftlicher Berater der Rechtsanwältinnen Steiner Mittländer Fischer in Frankfurt.
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