Ausbildung

Ausbildungsvergütung nicht insolvenzfest

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Teures Lehrgeld: Wird der Ausbildungsbetrieb zahlungsunfähig, kann der Insolvenzverwalter sogar die bereits gezahlte Ausbildungsvergütung zurückfordern. Vorausgesetzt, die Zahlung ist nach dem Insolvenzantrag erfolgt und der Arbeitgeber hat unter Druck gezahlt, um eine Zwangsvollstreckung abzuwenden – so das Bundesarbeitsgericht.

Der Kläger absolvierte von 2008 bis 2012 eine Ausbildung zum Metallbauer. Ihm stand zuletzt eine monatliche Ausbildungsvergütung von 495,20 Euro brutto zu, die allerdings nur unregelmäßig gezahlt wurde. Nach Ende seines Ausbildungsverhältnisses klagte er die ausstehende Vergütung daher ein.

Auszubildender muss Vergütung einklagen

Im Oktober 2012 schloss er mit seiner früheren Arbeitgeberin einen Vergleich vor dem Arbeitsgericht. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich, ihm die rückständige Ausbildungsvergütung von 2.800,00 Euro netto bis Mitte November 2012 zu zahlen. Die Zahlungen erfolgten jedoch erst im Dezember 2012 und Januar 2013, nachdem der Kläger die Zwangsvollstreckung eingeleitet hatte.

Insolvenzverwalter verlangt vollen Betrag zurück

Am 15.09.2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin (im Folgenden: Schuldnerin) eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Nach der Eröffnung verlangte der Beklagte, dass der Kläger die erstrittene Ausbildungsvergütung zurückzahlt. Der Insolvenzverwalter erklärte die Anfechtung der Zahlungen, da die Schuldnerin sie nach Stellung des Insolvenzantrags erbracht habe.

Insolvenz wird vier Jahre zurückdatiert

Das zuständige Insolvenzgericht hatte das Verfahren auf drei Insolvenzanträge gestützt: Den ersten Antrag hatte bereits am 7.10.2010 die Deutsche Rentenversicherung (Knappschaft-Bahn-See) wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge gestellt. Das Verfahren war allerdings wegen verschiedener Teilzahlungen der Schuldnerin mehrfach aufgeschoben worden. Einen weiteren Antrag stellte am 9.05.2014 das Finanzamt wegen offener Steuerforderungen. Zuletzt stellte die Schuldnerin selbst am 12.08.2014 den dritten Insolvenzantrag.

BAG: Insolvenzverwalter kann Lohn zurückfordern

Das Landesarbeitsgericht (LAG Hamm 8.04.2016 - 16 Sa 944/15) und das Bundesarbeitsgericht (BAG) gaben dem Insolvenzverwalter Recht. Der Insolvenzverwalter kann Zahlungen des Arbeitgebers an Arbeitnehmer und Auszubildende zurückfordern, wenn diese nicht in der geschuldeten Art erfolgt sind (inkongruente Deckung). Das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters regelt § 131 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO).

Dies setzt voraus, dass die Zahlungen nach dem Insolvenzantrag vorgenommen worden sind, der zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt hat. Dafür genügt nach dem BAG auch ein länger zurückliegender Insolvenzantrag, wenn das Insolvenzgericht seinen Beschluss ausdrücklich darauf bezogen hat. Die Arbeitsgerichte waren daher daran gebunden, dass das Insolvenzgericht auch den Insolvenzantrag vom 7.10.2010 als Eröffnungsgrundlage bestimmt hatte.

Dabei sind Zahlungen, die der Arbeitgeber erbringt, um eine unmittelbar bevorstehende Zwangsvollstreckung abzuwenden (Druckzahlungen), nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs »nicht in der geschuldeten Weise erbracht« und damit inkongruent. Das BAG schließt sich dieser Rechtsauffassung an.

Arbeitnehmer wird an Sozialversicherung verwiesen

Das BAG sieht keinen Anlass, zu Gunsten des Auszubildenden eine Anfechtungssperre aus verfassungsrechtlichen Gründen anzunehmen. Denn Arbeitnehmer und Auszubildende können bei Insolvenz des Arbeitgebers Grundsicherung und Insolvenzgeld in Anspruch nehmen. Diese staatlichen Hilfen seien eigens zur Absicherung des Existenzminimums vorgesehen und geeignet. Daran hat das Gericht auch für den Fall der Rückforderung einer Ausbildungsvergütung durch den Insolvenzverwalter festgehalten.

Gesetzgeber gefordert

Das BAG hat sich der Einschätzung des Bundesgerichtshofs (BGH) angeschlossen, dass Zahlungen anfechtbar sind, die der Arbeitgeber erbringt, um eine unmittelbar bevorstehende Zwangsvollstreckung abzuwenden (Druckzahlungen). Der Gesetzgeber habe diese Einordnung für Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis wiederholt unbeanstandet gelassen und keine gegenteilige Bestimmung in die InsO oder ins Anfechtungsgesetz aufgenommen.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

BAG (26.10.2017)
Aktenzeichen 6 AZR 511/16
BAG, Pressemitteilung vom 26.10.2017
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