Kündigungsschutz

Kündigungsfrist und Vertraulichkeit

29. Januar 2020
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Quelle: © womue / Foto Dollar Club

Eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung muss der Arbeitgeber spätestens nach zwei Wochen aussprechen. Mehr Zeit gibt es ausnahmsweise, wenn Vorwürfe aus persönlichen Gründen vertraulich behandelt werden müssen. Von Jens Pfanne.

Darum geht es

Zwei Mitglieder des Betriebsrats – darunter auch der Vorsitzende – arbeiten gemeinsam in einem Büro. Die Kollegen nutzen für ihre Arbeit eine WhatsApp-Gruppe mit ihren privaten Mobiltelefonen. An die private Handynummer seiner Kollegin schickte der Vorsitzende zuerst lustige Bilder und Videoclips. Kurze Zeit später bekam die Betriebsrätin von ihm auch Material mit pornographischem Inhalt übersandt. Auch kam es vor, dass der Vorsitzende das gemeinsame Büro betrat und sexuelle Sprüche an seine Kollegin richtete.

Die betroffene Arbeitnehmerin war mit dem Verhalten ihres Kollegen nicht einverstanden und wandte sich an die Personalabteilung, um über das untragbare Verhalten zu berichten. Die Arbeitnehmerin bat darum, die Angelegenheit zunächst nicht öffentlich zu machen. Sie wechselte mit ihrem Arbeitsplatz in ein anderes Büro und war anschließend erkrankt. Nach drei Wochen entschied sie sich, die Vorfälle offiziell untersuchen zu lassen und informierte den Arbeitgeber darüber. Dieser hörte darauf den Vorsitzenden zu den Vorwürfen an und beantragte erfolglos beim Betriebsrat die Zustimmung zur fristlosen Kündigung.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht (LAG) wiesen den Antrag des Arbeitgebers ab, die Zustimmung des Betriebsrats zu ersetzen, weil er den Antrag nicht innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis der Vorwürfe gestellt hatte.

Das sagt das BAG

Dieser Ansicht ist das Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht gefolgt. Das BAG entschied, dass das LAG neu über den Fall entscheiden muss. Der Arbeitgeber könnte gute Gründe dafür haben abzuwarten, wie sich die von der Belästigung betroffene Arbeitnehmerin für das weitere Vorgehen entscheidet. Er muss in diesem Fall ihre besondere Situation berücksichtigen, insbesondere den Umstand, dass sie sich unmittelbar nach den Vorfällen in ärztliche Behandlung begeben musste. Die Zwei-Wochen-Frist zur außerordentlichen Kündigung könnte daher erst später begonnen haben.

Gebot der Eile bei fristloser Kündigung

Mitglieder des Betriebsrats sind durch das Gesetz besonders vor Kündigungen geschützt. Nur wenn ihnen außerordentlich schwere Verstöße gegen ihre Arbeitnehmerpflichten zur Last gelegt werden können, ist eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt. Dabei ist für den Arbeitgeber regelmäßig Eile geboten. Das Gesetz schreibt vor, dass eine fristlose Kündigung im Regelfall nur innerhalb von zwei Wochen erklärt werden kann. Die Frist beginnt dann, wenn der Arbeitgeber von den entscheidenden Umständen des Sachverhalts umfassende Kenntnis erlangt (§ 626 Abs. 2 BGB). Für die eigenen Ermittlungen darf sich der Arbeitgeber allerdings nicht zu viel Zeit lassen. Dazu gehört es auch, den beschuldigten Arbeitnehmer zu den Vorwürfen anzuhören – innerhalb einer kurzen Frist, die im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen darf. Es soll für ihn möglichst zeitnah Klarheit geschaffen werden, was ihm zur Last gelegt wird.

Vertraulichkeit geht vor

Von diesem Grundsatz kann der Arbeitgeber abweichen und die Anhörung zu einem späteren Zeitpunkt durchführen, wenn besondere Umstände zu berücksichtigen sind. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass es für den Arbeitgeber nicht zumutbar ist, die Anhörung fristgerecht durchzuführen, wenn das Interesse der betroffenen Arbeitnehmerin an der Vertraulichkeit zu beachten ist. Jedoch darf der Arbeitgeber nicht tatenlos auf eine Entscheidung warten, sondern muss ihr eine angemessen kurze Frist setzen, ob der Fall offiziell untersucht werden kann.

Tipps für die Praxis

Der Schutz vor Diskriminierung ist im Betrieb eine wichtige Angelegenheit, um den innerbetrieblichen Frieden zu bewahren. In einer Betriebsvereinbarung sind daher die verschiedenen Interessen in den Blick zu nehmen. Zunächst sollte Betroffenen aufgezeigt werden, an welche Stellen sie sich sowohl im Betrieb als auch Extern bei Bedarf wenden können, auch wenn sie anonym bleiben wollen. Zusätzlich sind klare Regeln festzuschreiben, innerhalb welcher Frist der Sachverhalt aufgeklärt werden muss. Bestehen Belästigungsvorwürfe ohne Klärung zu lange im Raum, kann dies nachteilig für das Betriebsklima sein. Auch soll sich ein zu Unrecht beschuldigter Arbeitnehmer möglichst schnell rehabilitieren können. Besteht eine konkrete Wiederholungsgefahr für Arbeitnehmer ist kein Raum für Verzögerungen.

Jens Pfanne, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

2 ABR 2/19 (27.06.2019)
Aktenzeichen
Sie erhalten diese Entscheidungsbesprechung als Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 29.1.2020.
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