Direktionsrecht - Der DGB-Rechtsschutz kommentiert

Zuweisung einer anderen Aufgabe nach Krankheit

17. Dezember 2014

Ein Arbeitnehmer, der schwerbehindert oder gleichgestellt ist, hat nach § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung. Dazu gehört allerdings kein Entgeltschutz. Der Arbeitgeber kann im Wege der Änderungskündigung auch eine schlechter bezahlte leidensgerechte Tätigkeit anbieten.

Leitsätze des Gerichts

1. Gegenüber einem schwerbehinderten oder gleichgestellten Mitarbeiter besteht kein erweitertes Direktionsrecht, welches dem Arbeitgeber die Zuweisung einer zwar behinderungs- nicht aber vertragsgerechten Tätigkeit ermöglicht.

2. Lehnt der Arbeitnehmer ein auf sofortige Zuweisung einer behinderungsgerechten Tätigkeit zu im Übrigen betriebsüblichen Bedingungen gerichtetes Änderungsangebot ab, scheiden jedenfalls für die Dauer einer für die ordentliche Änderungskündigung einzuhaltenden Frist Sekundäransprüche wegen entgangener Vergütung aus.

Quelle:
LAG Hamm, Urteil vom 21.08.2014
Aktenzeichen 8 Sa 1697/13

Folgen für die Praxis

Anmerkung von Bettina Fraunhoffer LL.M., DGB Rechtsschutz GmbH

Der einem Schwerbehinderten gleichgestellte Arbeitnehmer verfolgt Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug gegenüber dem Arbeitgeber aus einem beendeten Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer arbeitete zunächst als Mitarbeiter in der Lackiererei für einen Stundenlohn von 13 €, wurde dann jedoch krank und konnte diese Tätigkeit nicht mehr ausüben.

Er machte nach der Erkrankung eine von der DRV begleitete Arbeitserprobung in der Elektromontage. Als er nach erfolgreicher Erprobung in Vollzeit beim Arbeitgeber in der Elektromontage arbeiten wollte, wurde ihm zunächst ein Arbeitsvertrag mit weniger Lohn usw. vorgelegt. Dieser unterschrieb der Arbeitnehmer nicht, der Arbeitgeber erteilte Hausverbot.

Leidensgerechte Arbeit mit geringerem Stundenlohn

Danach bot der Arbeitnehmer mit rechtlicher Hilfe seine Arbeitskraft in der Elektromontage an und machte Entgeltansprüche geltend. Der Arbeitgeber forderte danach den Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung als Lackierer auf und bot gleichzeitig eine Beschäftigung als Elektrohelfer mit einem Stundenlohn von 11 € an.

Der Arbeitnehmer teilte daraufhin mit, dass ihm die Tätigkeit des Lackierers nicht möglich sei, aber die Tätigkeit in der Elektromontage könne ihm zu den bisherigen Bedingungen im Sinne einer leidensgerechten Beschäftigung vom Arbeitgeber per Direktionsrecht zugewiesen werden. Der Arbeitgeber sprach dann eine Änderungskündigung aus.

Grundsätzlich gilt, dass man ab einer Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) von 50 Schwerbehindert ist. Liegt dies nicht vor und besteht ein GdB von 30 oder 40 kann man sich bei der Agentur für Arbeit, wenn die Voraussetzungen vorliegen, gleichstellen lassen. Dies war vorliegend geschehen. Der Arbeitnehmer verlor die Forderungsklage in I. und II. Instanz.

Kein Anspruch auf Annahmeverzugslohn
Das LAG wies in vorliegendem Urteil darauf hin, dass der Arbeitgeber nicht Annahmeverzug nach § 615 BGB war. Ob Annahmeverzug vorliegt, bestimmt sich nach den §§ 293 ff BGB. Sei der Arbeitnehmer – etwa aus gesundheitlichen Gründen – außerstande, die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu bewirken, schließe dieses Unvermögen nach § 297 BGB den Gläubigerverzug aus. Der Grundsatz »kein Lohn ohne Arbeit« gelte dabei für den schwerbehinderten Menschen in gleicher Weise. Ein besonderer Entgeltfortzahlungstatbestand bei behinderungsbedingter Arbeitsunfähigkeit bestehe laut BAG nicht.

Bei Arbeitsunfähigkeit wird der Arbeitgeber von der Zahlungspflicht frei
Zusammenfassend hat das LAG entschieden, dass bei Lohnstreitigkeiten der Schwebehinderte ebenso zu behandeln ist wie der nicht Schwerbehinderte. Weil der Arbeitnehmer die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr erbringen könne, läge damit ein Leistungsunvermögen i. S. d. § 297 BGB vor, so dass der Arbeitgeber nicht bezahlen müsse.

Arbeitgeber kann keine geringwertigere Tätigkeit zuweisen
Selbst wenn die Arbeitspflicht nicht auf eine genau bestimmte Tätigkeit arbeitsvertraglich beschränkt sei, könne der Arbeitgeber im Rahmen der Ausübung seiner Direktionsbefugnis nur Arbeit zuweisen, die den Kräften und Fähigkeiten des Arbeitnehmers entspricht und ihm im Übrigen billigerweise zugemutet werden könne. 

Das Weisungsrecht begründe keine Berechtigung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz mit einer geringwertigeren Tätigkeit zuzuweisen. Dies gilt selbst dann, wenn die Vergütung dem bisherigen Niveau entspricht. Die Zuweisung einer geringwertigeren Tätigkeit begründet einen schweren Eingriff in den gesetzlich gewährleisteten Inhaltsschutz des Arbeitsverhältnisses (BAG, Urteil vom 09.05.2006, Az.: 9 AZR 424/05).

Wie man sieht sind solche Fallkonstellationen rechtlich nicht einfach zu werten und man muss genau den Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder die Absprachen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber prüfen. Dennoch, dass der Arbeitnehmer vorliegend verloren hat, hat das LAG zutreffend darauf hingewiesen, dass einem Arbeitnehmer nicht einfach geringwertigere Tätigkeiten wie geschuldet zugewiesen werden dürfen.

Änderungskündigung immer rechtzeitig prüfen lassen
Man sollte daher von vorliegender Entscheidung nicht abschrecken lassen, sondern gegen eine anderweitige Verwendung der Arbeitskraft beim Arbeitgeber wehren bzw. seine Rechte überprüfen lassen. Vor allem wenn eine Änderung des Stundenlohns oder Entgelts im Raume steht ist die relevant. Auch eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Änderungskündigung sollte man umgehend rechtlich prüfen lassen. In diesem Fall laufen enge zeitliche Fristen, die, wenn man diese nicht einhält zur Konsequenz hat, dass man über den Bestand des Arbeitsverhältnisses streitet.

Lesetipp der AiB-Redaktion
»Anspruch auf behindertengerechte und angemessene Beschäftigung« von Dr. Ewald Helml in »Arbeitsrecht im Betrieb« 2/2008, S. 94–99.

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