Entgeltfortzahlung

Mindestlohn verfällt als Ersatzleistung nicht

17. Juli 2018
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Quelle: nmann77_Dollarphotoclub

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung unterliegt grundsätzlich tariflichen Ausschlussfristen. Eine Ausschlussfrist ist aber unwirksam, soweit sie den gesetzlichen Mindestlohn betrifft.Von Matthias Beckmann.

Im hiesigen Verfahren arbeitete der Kläger als gewerblicher Arbeitnehmer bei einem Bauunternehmen. Sein Stundenlohn betrug zuletzt 13 Euro brutto. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis. In den letzten Wochen war der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt.

Der Arbeitgeber stellte nach wenigen Tagen die nach den gesetzlichen Vorgaben zu leistende Entgeltfortzahlung ein. Erst nach etwa drei Monaten machte der Arbeitnehmer die Nachzahlung der Entgeltfortzahlung schriftlich geltend.

Tarifvertragliche Ausschlussfrist nicht gewahrt

Der Arbeitgeber berief sich auf die Regelung zu Ausschlussfristen im Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV). Dieser ist allgemeinverbindlich, d.h. auf alle in der Branche Beschäftigten unabhängig von einer Verbandszugehörigkeit von Arbeitnehmer oder Arbeitgeber anwendbar.

Nach der Ausschlussfrist müssen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, innerhalb von zwei Monaten ab Fälligkeit geltend gemacht werden. Wird diese Frist nicht gewahrt, verfallen die Ansprüche unwiderruflich. Der Arbeitnehmer war mit seiner Geltendmachung somit zu spät.

Entgeltfortzahlung verfällt nicht in Höhe des Mindestlohns

Die Klage hatte in Höhe von 8,50 € je Arbeitsstunde dennoch Erfolg. Lediglich in Bezug auf den darüber hinausgehenden Stundenlohn wurde sie abgewiesen. In letzter Instanz hat das Bundesarbeitsgericht die entsprechenden Entscheidungen nun bestätigt.

Der Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers für die Zeit seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit folgt aus den Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer für die Zeit, in der er krankheitsbedingt ausfällt, das Entgelt zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall bei Erbringung der Arbeitsleistung erhalten hätte. Dieser Entgeltfortzahlungsanspruch unterliegt grundsätzlich tariflichen Ausschlussfristen. Auch eine Forderung auf Entgeltfortzahlung muss der Arbeitnehmer demnach fristwahrend geltend machen.

Auf der anderen Seite muss aber der Schutzzweck des Mindestlohngesetzes gewahrt werden. Dessen Zweck ist es, auch den Entgeltfortzahlungsanspruch in Höhe des gesetzlichen Mindestlohnes zu sichern. Daraus folgt, dass Vereinbarungen, welche die Geltendmachung des fortzuzahlenden Mindestlohnes i.S.d. § 3 Satz 1 MiLoG beschränken, unwirksam sind.

Zu solchen – unwirksamen – Vereinbarungen gehören somit auch arbeitsvertragliche und tarifliche Ausschlussfristen, wenn sie auf den Mindestlohn Anwendung finden sollen.

Hinweis für die Praxis

Kontrolle von Ausschlussfristen

Ausschlussfristen finden sich regelmäßig in Arbeitsverträgen oder Tarifverträgen. Sie sollen der Rechtssicherheit dienen, weil der Anspruch nur binnen verhältnismäßig kurzer Zeit geltend gemacht werden kann.

Profitieren tut davon meist der Arbeitgeber, sind es doch in aller Regel Arbeitnehmer, die einen Zahlungsanspruch gegen den Vertragspartner durchsetzen wollen.

Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen unterliegen der AGB-Kontrolle und müssen daher bestimmte Vorgaben einhalten wie das Transparenzgebot. Auch dürfen sie nach der Rechtsprechung nicht kürzer bemessen sein als drei Monate. Nach dem erst 2016 eingeführten § 309 Nr. 13b BGB ist es zudem unzulässig, für die Geltendmachung die Schriftform vorzugeben. Eine Geltendmachung per Email ist daher ausreichend.

Diese Einschränkungen geltend für tarifvertragliche Regelungen nicht. Auch kürzere Fristen sind hier zulässig.

Eine tarifliche Regelung bleibt grundsätzlich auch dann wirksam, wenn von der Ausschlussfrist auch der gesetzliche Mindestlohn erfasst wird. Der Tarifvertrag ist dann einschränkend auszulegen.

Bei einer entsprechenden Regelung in einem Arbeitsvertrag dürfte eine solche einschränkende Auslegung nicht möglich sein. Die AGB-Kontrolle verbietet die geltungserhaltende Reduktion. Wer eine unzulässige Klausel verwendet, soll nicht damit belohnt werden, dass dann das gerade noch zulässige gilt. Bei einem Verstoß ist die gesamte Klausel unwirksam.

Die Nicht- oder nicht rechtzeitige Zahlung des Mindestlohnes ist eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit nach § 21 MiLoG. Sofern Betriebsräte in ihren Betrieben von derartigen Versäumnissen Kenntnis erlangen, kann es hilfreich sein, den Arbeitgeber auf die Bußgeldvorschriften hinzuweisen.

Matthias Beckmann, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

BAG (20.06.2018)
Aktenzeichen 5 AZR 377/17
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat 13/2018 vom 18.7.2018.
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