Videoüberwachung

Mitbestimmen bei Videoüberwachung

24. August 2020 Videoüberwachung
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Quelle: © Light Impression / Foto Dollar Club

Videokameras bestimmen unseren Alltag, sie sind überall: In Einkaufszentren und Empfangshallen, auf Werksgeländen, an Geschäftsfassaden, Bankautomaten und Autobahnkreuzen. Ihr Anblick ist heute so normal, dass wir sie oft übersehen. Was also spricht gegen den Einsatz von WebCams & Co. im Unternehmen? Wie Betriebsräte hier klare Kante zeigen können, erfahren Sie von Silke Greve in »Arbeitsrecht im Betrieb« 7-8/2020.

Dass der Betriebsrat bei der Einführung einer Videoüberwachung ein Mitbestimmungsrecht hat, ist hinlänglich bekannt. Oft wird jedoch die Notwendigkeit des Einsatzes nicht mehr in Frage gestellt.

Zwar erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG grundsätzlich nur auf das »Wie« des Einsatzes solcher Technologien, nicht auf das »Ob«. Es steht dem Arbeitgeber also frei, ob er beispielsweise die Reisekostenabrechnung noch in Papierform oder mit Unterstützung digitaler Helfer durchführt.

Datenschutzrechtlich kann eine Videoüberwachung jedoch vollkommen unzulässig sein – gerade im Arbeitsverhältnis. Der Grund: das Aufnehmen bewegter Bilder ist einer der stärksten Eingriffe in die allgemeinen Persönlichkeitsrechte von Arbeitnehmern. Kaum etwas anderes ergibt eine umfassendere Verhaltensaufnahme eines Menschen.

Was aber genau ist an einer Videoaufnahme so risikoreich?

Schauen wir uns einmal an, was eine Kamera überhaupt kann: Sie kann einen Lebenssachverhalt aufzeichnen, der, soweit die Bilder nicht manipuliert sind, genau so geschehen ist, wie es die Aufzeichnung zeigt. Was eine Kamera nicht kann: Die Bilder bewerten. Erst die Interpretation des Beobachters ermöglicht es, den Bildern eine Bedeutung zu geben. Ob jemand berechtigterweise oder mit krimineller Energie »in die Kasse greift«, kann eine Filmaufnahme nicht zeigen. Daher ist es erforderlich, Rahmenbedingungen beispielsweise für die Interpretationshoheit festzulegen. Das ist das eine.

Das andere ist, dass Menschen sich verändern, wenn sie sich überwacht fühlen. Es geht hier nicht um das vielzitierte »wer nichts Unrechtes tut, hat auch nichts zu befürchten«, sondern darum, dass es die Persönlichkeit verändert, wenn man sich niemals unbeobachtet fühlt. Dies ist keine neue Erkenntnis – George Orwell hat dies bereits in den vierziger Jahren eindrucksvoll in seinem Roman »1984« geschildert.

Wann ist sie rechtlich zulässig?

Ein solcher Überwachungseinsatz muss gerechtfertigt sein. Das geschieht durch eine Abwägung der eben beschriebenen Rechte der Beschäftigten mit den diesen gegenüberstehenden, arbeitgeberseitigen Rechten, wie zum Beispiel dem Recht, sein Eigentum zu schützen.

Ein Grundprinzip unseres Rechtssystems ist, dass das Recht des einen nur so weit gehen kann, wie es das Recht eines anderen nicht (zu weit) einschränkt. Vereinfacht ausgedrückt ist eine Videoüberwachung dann unzulässig, wenn es keine Erforderlichkeit für einen derart tiefen Eingriff in die Rechte der Arbeitnehmer gibt. Das ist schon dann der Fall, wenn der Arbeitgeber seine Rechte mit weniger intensiven Maßnahmen wahren könnte. Wenn es um das Anbringen von Kameras im Betrieb geht, muss die erste Frage eines Gremiums also lauten: Ist dies rechtlich überhaupt zulässig?

Nun werden geschulte Betriebsräte sagen, es gibt kein »Datenschutz-Mitbestimmungsrecht«. Das ist grundsätzlich richtig: die Einhaltung des Datenschutzes obliegt dem Unternehmen. Dennoch hat der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG die Einhaltung der die Arbeitnehmer schützenden Gesetze zu überwachen. Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), ebenso wie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sind solche Gesetze. Erkennt der Betriebsrat also aus datenschutzrechtlicher Sicht keine Rechtfertigung für den Einsatz von Videokameras, kann sein Mitbestimmungsverlangen bis zur Reduktion des Kameraeinsatzes auf null gehen.

Welcher Zweck wird mit der Aufnahme durch jede einzelne Kamera verfolgt?

Herauszufinden, welches Maß an Überwachung notwendig ist, ist wesentlicher Bestandteil der Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite, in denen dieser die Gründe für die Videoüberwachung darzulegen hat. Diese muss konkret erfolgen, bezogen auf jede einzelne Kamera. Der Grundsatz der Datenminimierung, der durchaus auch quantitativ zu verstehen ist, gebietet dies. Das Gremium prüft dann, ob die genannten Gründe dem Arbeitgeber das Recht zubilligen, Bildaufnahmen im Betrieb zu machen.

Wie werden die erhobenen Daten verwertet?

Eine weitere, mit einer Videoüberwachung immer wieder eng verknüpfte Frage ist diejenige nach der Verwertung der auf diese Weise gewonnenen Daten. Viele Betriebsräte vertrauen auf den Umstand, dass rechtswidrige Handlungen des Arbeitgebers nicht zu Lasten der Arbeitnehmer verwendet werden dürfen. Sie nehmen an, dass auch ohne Betriebsvereinbarung ein gesetzlicher Schutz der Beschäftigten besteht, quasi als »Minimalabsicherung«. Hier sollte jedoch Vorsicht geboten sein. Neuere Urteile zeigen, dass unrechtmäßig erlangte Beweise im Kündigungsschutzprozess durchaus Verwendung finden und die Kündigung durch den Arbeitgeber Erfolg hat.

Was die Gerichte jüngst zur Videoüberwachung entschieden haben und welche Inhalte eine Betriebsvereinbarung dringend haben sollte, erfahren Sie in dem Beitrag »Bilder, Bilder, Bilder…«, »Arbeitsrecht im Betrieb« 7-8/2020 ab Seite 37.

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