Betriebsratswahl

BAG hat Neutralitätsgebot für Arbeitgeber aufgeweicht

15. März 2018
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Quelle: © Gina Sanders / Foto Dollar Club

Eigentlich darf niemand die Betriebsratswahlen beeinflussen. Vor allem der Arbeitgeber nicht. Doch das BAG hat dieses Verbot nun weichgespült. An dem strikten Neutralitätsgebot will das Gericht nicht mehr festhalten.

Drei Arbeitnehmer begehrten vor Gericht die Anfechtung der Wahl eines 13-köpfigen Betriebsrats. Ihrer Auffassung nach hat die Geschäftsleitung eines Gemeinschaftsbetriebs versucht, den Ausgang der Wahl in unzulässiger Weise zu beeinflussen, indem die Arbeit der damaligen Betriebsratsvorsitzenden öffentlich diskreditiert wurde. Ein Personalleiter soll auf einem Treffen der außertariflichen Angestellten geäußert haben, dass die Betriebsratsvorsitzende die Arbeit des Unternehmens behindert. Zudem soll er auf einem Treffen mit Mitarbeitern des Innendienstes mit Führungsverantwortung erklärt haben, dass jeder, der der Betriebsratsvorsitzenden seine Stimme bei der Betriebsratswahl gibt, »Verrat« begeht. Das Landesarbeitsgericht (LAG) erachtete die Wahlanfechtung – anders als noch das Arbeitsgericht – für begründet. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sah die Wahl jedoch als wirksam an und hob die Entscheidung des LAG auf.

Schutz der Betriebsratswahl vor unzulässiger Beeinflussung durch § 20 Abs. 2 BetrVG

Nach § 20 Abs. 2 BetrVG darf niemand die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen. Die Regelung schützt die Betriebsratswahl vor unzulässiger Beeinflussung. Das BAG ist dennoch hier der Auffassung, dass bei der Betriebsratswahl nicht gegen wesentliche Wahlvorschriften wie die des § 20 Abs. 2 BetrVG verstoßen wurde. Das Gericht konnte insbesondere in den Äußerungen des Personalleiters kein Verhalten erblicken, durch welches der Arbeitgeber in zurechenbarer Weise unter Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder unter Gewährung oder Versprechen von Vorteilen auf die Wahl des Betriebsrats Einfluss genommen wurde.

§ 20 Abs. 2 BetrVG gebietet kein striktes Neutralitätsgebot

Zudem lässt sich dem § 20 Abs. 2 BetrVG nicht entnehmen, dass jedes nicht strikt neutrale Verhalten des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen zur Anfechtung berechtigen kann – so das BAG. Die Vorschrift untersagt nicht jede Handlung oder Äußerung, die geeignet sein könnte, die Wahl zu beeinflussen. Die Beeinflussung muss vielmehr durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen erfolgen. Der § 20 Abs. 2 BetrVG schützt die innere Willensbildung des Arbeitnehmers, um eine freie Willensentscheidung zu gewährleisten. Dazu bedarf es aber nach Auffassung des BAG keiner allgemeinen »Neutralitätspflicht« des Arbeitgebers, da die innere Freiheit der Wahlentscheidung grundsätzlich durch das Wahlgeheimnis in § 14 Abs. 1 BetrVG gewährleistet wird.

Striktes Neutralitätsgebot führt zu keinen sinnvollen Ergebnissen

Ein striktes, über den Wortlaut des § 20 Abs. 2 BetrVG hinausgehendes Neutralitätsgebot des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen würde zu keinen sinnvollen, rechtssicher handhabbaren Ergebnissen führen – so das BAG. Die Wahlen wären nämlich einem hohen Anfechtungsrisiko ausgesetzt, wenn der Arbeitgeber sich jeder kritischen Äußerung über den bestehenden Betriebsrat oder einzelner seiner Mitglieder im Hinblick auf eine zukünftige Wahl enthalten müsste.

Autor:

Stelios Tonikidis, Rechtsreferendar

Quelle

BAG (25.10.2017)
Aktenzeichen 7 ABR 10/16
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