Arbeitsentgelt

Schweigen bedeutet kein Ja zur Lohnkürzung

19. Juni 2019
Dollarphotoclub_62408847_160503-e1465203293385
Quelle: © Sandra van der Steen / Foto Dollar Club

Schweigen ist keine Willenserklärung. Kürzt der Arbeitgeber einem nach der Kündigung freigestellten Beschäftigten den Lohn, kann er sich nicht darauf berufen, dieser hätte die Kürzung »durch Stillschweigen« angenommen. Der Lohn ist nachzuzahlen. Von Bettina Krämer.

Ein Kfz- Mechaniker wurde fristlos gekündigt und klagte hiergegen. Im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht schlossen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen gerichtlichen Vergleich: Das Arbeitsverhältnis sollte zum 30.9.2017 enden.

Der Arbeitgeber verpflichtete sich, den Arbeitnehmer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung seines Lohns unwiderruflich freizustellen. Ferner wurde vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis zum Ende hin ordnungsgemäß vom Arbeitgeber abgerechnet wird. Die Parteien waren sich zudem einig, dass mit der Freistellung sämtliche noch bestehenden Resturlaubsansprüche aus dem Jahr 2017 abgegolten sind und Urlaubsgeld zu bezahlen ist.

Arbeitgeber kürzt Stundenlohn und streicht Urlaubsgeld

Der Arbeitgeber rechnete  nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab. Er bezahlte aber u.a. nicht den zuletzt gezahlten Stundenlohnes (€ 13,71), sondern weniger (€ 12,89 brutto). Dies ergab eine Differenz von € 657,44 brutto. Auch das vereinbarte Urlaubsgeld (40 Prozent eines Bruttomonatsgehalts, rund 1550 Euro) bezahlte er nicht.

Der Arbeitgeber begründete die Lohnkürzung mit einer Vereinbarung: Dem Arbeitnehmer war im Beisein des Serviceleiters mitgeteilt worden, dass der zukünftige Stundenlohn € 12,89 beträgt, weil er nur noch als Servicemitarbeiter tätig sei.  Dagegen habe der Arbeitnehmer keine Einwände erhoben. Der Arbeitgeber meinte damit, dass die Kürzung des Lohnes somit beiderseitig als vereinbart gilt.

Bezüglich des Urlaubsgeldes meinte der Arbeitgeber, er müsse nicht bezahlen, weil der Arbeitnehmer tatsächlich 2017 keinen Urlaub genommen hatte.

Das Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht (LAG) gaben dem Arbeitnehmer Recht.

Schweigen ist keine Zustimmung

Das Gericht entschied, dass keine Änderungsvereinbarung über die Lohnhöhe zustande gekommen ist. Allein aus dem Schweigen des Arbeitnehmers lässt sich keine Zustimmung zu einer Vertragsänderung herleiten. Es gilt der Grundsatz, dass Schweigen im Rechtsverkehr keine Willenserklärung ist. Im Falle nachteiliger Änderungen im Bereich der Hauptleistungspflichten im Arbeitsverhältnis ist regelmäßig nicht von einer stillschweigenden Annahmeerklärung auszugehen, solange die Folgen der Änderung noch nicht hervorgetreten sind.

Damit war klar, dass das Verhalten des Arbeitnehmers, also das »keine Einwände erheben« und Schweigen nicht als Einverständnis zur Lohnkürzung zu werten ist. Es fehlte an irgendeinem positiven Signal des Arbeitnehmers und somit an einem schlüssigen Verhalten, so das LAG.

Anspruch auf vereinbartes Urlaubsgeld

Das LAG entschied auch, dass der Arbeitnehmer auch Anspruch auf das vereinbarte Urlaubsgeld für das Jahr 2017 hat. Das hier im Arbeitsvertrag vereinbarte Urlaubsgeld ist Teil der vereinbarten Vergütung, die dem Arbeitnehmer zusteht (§ 611a Abs. 2 BGB).

Die Zahlung des Urlaubsgeldes, so die Richter des LAG, hängt nach dem Arbeitsvertrag nicht davon ab, dass der Arbeitnehmer den Urlaub zu einem bestimmten Zeitpunkt nimmt oder genommen hat, wenn das Urlaubsgeld im Juni des jeweiligen Jahres gezahlt wird.

Eine solche Einschränkung lässt sich weder dem Wortlaut des Arbeitsvertrages noch dem Sinn und Zweck des Urlaubsgeldes entnehmen. Zwar soll das zusätzliche Urlaubsgeld regelmäßig dazu beitragen, den urlaubsbedingten finanziellen Mehrbedarf zu bestreiten. Dennoch muss das Urlaubsgeld nicht an Gewährung des Urlaubs gekoppelt werden (so auch schon das BAG  15.04.2013– 9 AZR 137/02).

Das vertraglich vereinbarte Urlaubsgeld ist im Juni des jeweiligen Jahres fällig, so dass das Gericht dem Arbeitnehmer noch ca. 900 Euro brutto zusprach.

Praxistipp:

Die vorliegende Entscheidung stärkte die Rechte der Arbeitnehmer. Der klagende Arbeitnehmer bekam sowohl den vereinbarten Lohn als auch das Urlaubsgeld zugesprochen.

Den Lohn einseitig kürzen kann der Arbeitgeber nicht. In einem solchen Fall müsste der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aussprechen oder den Arbeitsvertrag einvernehmlich mit dem Arbeitnehmer ändern. In einem solchen Fall muss der Arbeitnehmer aber zustimmen. Schweigen gilt hier- dies betont auch das LAG im vorliegenden Fall - nicht als Zustimmung.

Sieht der Betriebsrat, dass einzelne Mitarbeiter oder eine Gruppe Lohnkürzungen ausgesetzt sind, kann er ggf. im Rahmen seines Mitbestimmungsrechtes reagieren, denn der Betriebsrat hat bei Fragen der Lohngestaltung mitzubestimmen (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG). Zum Lohn zählen dabei u.a. das Grundgehalt, der Stundenlohn, Prämien, Zuschläge, Zulagen, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und betriebliche Altersversorgung. 

Das Recht zur Mitbestimmung gilt bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen, d.h. Kriterien nach denen ein Lohn festgelegt wird und der Einführung, Anwendung und Änderung von Entlohnungsmethoden. Kein Mitbestimmungsrecht liegt vor, wenn und soweit die Vergütung der Arbeitnehmer bereits zwingend durch einen Tarifvertrag vorgegeben ist.

Der Betriebsrat kann die Beachtung seines Mitbestimmungsrechtes falls nötig mit Hilfe des Arbeitsgerichts durchsetzen und auf Unterlassung der Änderung oder Einhaltung und Durchführung der bisherigen Regelungen bei Gericht klagen.  

Streicht der Arbeitgeber Leistungen oder behält den Lohn teilweise ein, kann auch immer der einzelne Arbeitnehmer fehlende Lohnbestandteile einklagen. 

Bettina Krämer LL.M., DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

LAG Mecklenburg-Vorpommern (02.04.2019)
Aktenzeichen 5 Sa 221/18
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 19.6.2019.
AiB-Banner Viertel Quadratisch - Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren