Sozialversicherung

Auflösen von Arbeitszeitguthaben

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Quelle: magele_Dollarphotoclub

Entlässt ein Unternehmen einen Arbeitnehmer, muss er dessen Arbeitszeitkonto finanziell abgelten. Dadurch werden Sozialbeiträge für Arbeitsentgelt fällig. Für die Berechnung der Beiträge sind die Arbeitsstunden jenem Monat zuzuordnen, in dem sie erarbeitet wurden. Die Beitragsbemessungsgrenze ist zu beachten.

Ein Gartenbau-Unternehmen musste mehrere Mitarbeiter entlassen. Zum Ausgleich von Schlechtwetterzeiten war für jeden der Mitarbeiter ein Arbeitszeitkonto eingerichtet worden. Jeder dieser Mitarbeiter erhielt im letzten Beschäftigungsmonat die Guthabenstunden seines Arbeitszeitkontos ausbezahlt. Hierdurch überschritt jeder der Entlassenen in diesem Monat die Beitragsbemessungsgrenze.

Beitragsbemessungsgrenze – was bedeutet das?

Die Beitragsbemessungsgrenze legt einen Betrag fest, bis zu dem Arbeitsentgelt zu Sozialbeiträgen herangezogen, also verbeitragt wird. In der Renten- und Arbeitslosenversicherung liegt dieser Wert im Jahr 2018 bei 6.500,- EUR monatlich im Westen (78.000,- EUR jährlich). In der Krankenversicherung gilt ein anderer Wert. Bei einem aktuellen Beitragssatz von 18,6 Prozenz in der Rentenversicherung müssen also höchstens 1.209,- EUR Rentenbeitrag monatlich geleistet werden (6.500,- EUR x 0,186). Auch wer das doppelte verdient, zahlt daher nur diesen Beitrag.

Die entlassenen Mitarbeiter überschritten nun diesen Wert deutlich, weil zusätzlich zum Arbeitsentgelt im Entlassungsmonat auch die angesammelten Arbeitsstunden ausgezahlt wurden. Ein Teil des Arbeitsentgelts hätte also beitragsfrei bleiben müssen. Das jedenfalls meinte das Unternehmen, das als Arbeitgeber immerhin die Hälfte der Beiträge tragen muss.

Zuordnung zum Auszahlungsmonat?

Die Rentenversicherung war anderer Auffassung. Sie ordnete die Arbeitsstunden den Monaten zu, in denen diese erarbeitet worden waren, und legte danach die Beiträge fest. Dadurch blieben die Arbeitnehmer jeweils unter der Beitragsbemessungsgrenze. Die so errechneten (höheren) Beiträge forderte der Rentenversicherer vom Arbeitgeber für die Vergangenheit nach.

Jährliche Beitragsbemessungsgrenze ist maßgebend!

Das Landessozialgericht in Stuttgart gab der Rentenversicherung Recht. Zwar sei dieser Fall nicht eindeutig im Gesetz geregelt. Jedoch müsse die jährliche Beitragsbemessungsgrenze herangezogen werden (diese wurde in keinem Fall überschritten). Anderenfalls wäre es möglich, Sozialbeiträge zu sparen, indem Arbeitszeit und Arbeitsentgelt angesammelt und dann auf einmal ausgezahlt würden. Angesparte Mehrarbeit würde dann wegen Überschreitens der Beitragsbemessungsgrenze beitragsrechtlich bessergestellt. Dies sei vom Gesetz aber nicht gewollt.

Die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg ist noch nicht rechtskräftig,

Praxistipp:

Arbeitgeber wollen nicht nachträglich Beiträge abführen

Warum hatte der Arbeitgeber hier ein so großes Interesse daran, nicht nachträglich Beiträge entrichten zu müssen? Vermutlich liegt es an einer Regelung in § 28g Abs. 1 SGB IV. Danach kann der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Hälfte der Sozialbeiträge beanspruchen – Arbeitgeber und Arbeitnehmer tragen die Beiträge je zur Hälfte, aber der Arbeitgeber muss den Gesamtbeitrag an die Einzugsstelle überweisen. Diesen Anspruch muss der Arbeitnehmer aber ausschließlich durch Abzug von seinem Lohn erfüllen. Bei beendetem Arbeitsverhältnis – wie hier – ist das aber nicht mehr möglich. Der Arbeitgeber bleibt also in solchen Fällen immer auf dem gesamten Beitrag alleine sitzen.

Späte Abrechnung mindert Arbeitslosengeld

In anderen Fällen sind Arbeitnehmer jedoch nicht so gut geschützt. Nach einer Kündigung beziehen Beschäftigte häufig Arbeitslosengeld. Das Arbeitslosengeld berechnet sich grundsätzlich nach dem Arbeitsentgelt, das bis zum Ausscheiden aus der Beschäftigung erzielt wurde. Ebenso berücksichtigt die Arbeitsagentur grundsätzlich nur solches Arbeitsentgelt, dass bis zum Ausscheiden aus der Beschäftigung bereits abgerechnet ist.

Wichtig für eine Betriebsvereinbarung!

Gerade Arbeitszeitkonten werden häufig erst lange nach Beschäftigungsende aufgelöst und ausgezahlt. Dann ist es zu spät. Eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Arbeitszeitkonten sollte daher die Regelung beinhalten, dass Guthaben aus Arbeitszeitkonten bis zum letzten Tag der Beschäftigung abzurechnen und auszuzahlen sind. Auch sollte dies in die Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III aufgenommen werden. Verletzt der Arbeitgeber diese Regelung sollte er überdies verpflichtet werden, dadurch entstehende Nachteile bei Sozialleistungen auszugleichen.

Bastian Brackelmann, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

LSG BAden-Württemberg (13.03.2018)
Aktenzeichen L 11 R 4065/16 (nicht rechtskräftig)
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 4.4.2018.
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