Koalitionsfreiheit

Streiken bleibt für Beamte verboten

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Beamte dürfen nicht streiken. Diesem Verbot müssen sich die Staatsdiener beugen, auch wenn das die Koalitionsfreiheit aushölt. Das deutsche Berufsbeamtentum und dessen Spielregeln erlauben dieses Verbot, so das Bundesverfassungsgericht. Der DGB protestiert.

Geklagt hatten beamtete Lehrer, die während der Dienstzeit an Protestveranstaltungen beziehungsweise Streikmaßnahmen einer Gewerkschaft teilgenommen und daraufhin Disziplinarverfügungen der zuständigen Behörden erhalten hatten.

Das Streikverbot für Beamtinnen und Beamte ist als eigenständiger hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums vom Gesetzgeber zu beachten, lautet die Entscheidung des BVerfG. Weder der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes noch die Europäische Menschenrechtskonvention würden durch ein entsprechendes streikverbot beeinträchtigt, weswegen das BVerfG die vier gegen das Streikverbot für Beamte gerichteten Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen hat.

Eingriff ja, unzulässig nein

Zwar beeinträchtigen die angegriffenen behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen das Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG. Denn die disziplinarische Ahndung des Verhaltens der Beschwerdeführenden und deren disziplinargerichtliche Bestätigung durch die angegriffenen Gerichtsentscheidungen begrenzen die Möglichkeit zur Teilnahme an einem Arbeitskampf und sind daher als Eingriff in die Koalitionsfreiheit zu werten, der laut BVerfG jedoch durch »hinreichend gewichtige, verfassungsrechtlich geschützte Belange« gerechtfertigt ist.

Das Streikverbot für Beamte stellt einen eigenständigen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG dar und habe eine enge inhaltliche Verknüpfung mit den verfassungsrechtlichen Fundamenten des Berufsbeamtentums in Deutschland, etwa der beamtenrechtlichen Treuepflicht sowie dem Alimentationsprinzip.

Streikrecht würde Beamtentum beeinträchtigen

Ein Streikrecht für Beamte würde aus Sicht der Verfassungsrichter das Verständnis und die Regelungen des Beamtenverhältnisses grundlegend umgestalten. Es hebelte die funktionswesentlichen Prinzipien der Alimentation, der Treuepflicht, der lebenszeitigen Anstellung sowie der Regelung der maßgeblichen Rechte und Pflichten einschließlich der Besoldung durch den Gesetzgeber aus, erforderte jedenfalls aber deren grundlegende Modifikation, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts.

Der Eingriff in Art. 9 Abs. 3 GG trifft laut BVerfG Beamte nicht unzumutbar schwer. Ein Streikverbot führt nicht zu einem vollständigen Zurücktreten der Koalitionsfreiheit und beraubt sie nicht gänzlich ihrer Wirksamkeit. Auch hat der Gesetzgeber Regelungen geschaffen, die zu einer Kompensation der Beschränkung von Art. 9 Abs. 3 GG bei Beamtinnen und Beamten beitragen sollen, namentlich Beteiligungsrechte der Spitzenorganisationen der Gewerkschaften bei der Vorbereitung gesetzlicher Regelungen der beamtenrechtlichen Verhältnisse. Zudem könnten Beamte beispielsweise das Alimentationsprinzip und dessen Handhabung gerichtlich überprüfen lassen, so dass sie auch ohne Beteiligung an einem Arbeitskampf ausreichend geschützt sind.

Eine Aufsplittung in Beamta mit und ohne Streikrecht lehnt das BVerfG ebenfalls ab: das würde das klar konzipierte zweigeteilte öffentliche Dienstrecht in Deutschland durchbrechen.

Kein Verstoß gegen europarechtliche Vorgaben

Zur Kollision mit Europäischem Recht führt das BVerfG aus: Unabhängig davon, ob das Streikverbot für deutsche Beamte einen Eingriff in Art. 11 Abs. 1 EMRK darstellt, ist es wegen der Besonderheiten des deutschen Systems des Berufsbeamtentums jedenfalls nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 EMRK beziehungsweise Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMRK gerechtfertigt. Das Streikverbot ist gesetzlich vorgesehen. Zudem sei nicht der Kern der Gewerkschaftstätigkeit berührt, sondern nur ein Nebenaspekt. Daher ist der Beurteilungsspielraum des deutschen Gesetzgebers weiter und der jeweilige Eingriff eher verhältnismäßig, vor diesem Hintergrund also auch das Streikverbot für deutsche Beamte und konkret für beamtete Lehrkräfte nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 EMRK gerechtfertigt.

Zudem dürfe nach Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMRK die Ausübung der Gewährleistungen des Art. 11 Abs. 1 EMRK für Angehörige der Streitkräfte, der Polizei oder der Staatsverwaltung - hierzu zählen nach Auffassung des Senats auch beamtete Lehrkräfte - beschränkt werden.

Das sagt der DGB

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack bedauert die Entscheidung sehr und hält an der Auffassung fest: „Das Streikrecht ist ein Grund- und Menschenrecht, das auch nicht hoheitlich tätigen Beamtinnen und Beamten zustehen muss. Leider sieht das Bundesverfassungsgericht dies anders. Einer gesamten Statusgruppe dieses Recht zu verweigern, ohne nach zu erfüllender Aufgabe zu differenzieren, ist für uns auch nach der heutigen Entscheidung nicht nachvollziehbar. Für die nicht hoheitlich tätigen Beamtinnen und Beamten, zum Beispiel in den privatisierten Unternehmen oder auch in vielen Verwaltungsbereichen, bedeutet dies erstmal, dass ihnen auch weiterhin die Möglichkeit vorenthalten wird, sich aktiv für ihre Arbeitsbedingungen einzusetzen. Sieht man sich die negative Entwicklung der Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst an, so ist nicht verständlich, warum den Betroffenen ein effektives Mittel zur Verbesserung ihrer Situation verwehrt wird."

© bund-verlag.de (mst)

Quelle

BVerfG (12.06.2018)
Aktenzeichen 2 BvR 1738/12, 2 BvR 1395/13, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 646/15
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