Urlaub

Wann Resturlaub verwirkt

07. August 2018 Urlaub, Abgeltung
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Quelle: bluedesign_Dollarphotoclub

Das Abgelten nicht genommener Urlaubstage ist ein Entgeltanspruch. Der Arbeitnehmer kann seinen Anspruch verwirken, wenn er zu viel Zeit verstreichen lässt und der Arbeitgeber nicht mehr damit rechnen musste, den Resturlaub auszahlen zu müssen. Von Yuliya Zemlyankina.

Die Arbeitgeberin betrieb ein Personen- und Sachtransportunternehmen und befand sich in Liquidation. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer. Da der Arbeitnehmer einen neuen Job hatte, vereinbarten sie eine vorzeitige Beendigung. Bis zu diesem Zeitpunkt blieb der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt.

Ein Jahr später verlangte der Arbeitnehmer Lohnzahlung für die letzten zwei Monate des Arbeitsverhältnisses. Es stellte sich heraus, dass der Arbeitgeber diese Monate vor längerer Zeit bereits gezahlt hatte. Zehn weitere Monate später verlangte der Arbeitnehmer dann noch die Abgeltung für den noch offenen und wegen der Krankheit nicht genommenen Urlaub aus den letzten beiden Beschäftigungsjahren und klagte diesen erfolglos ein.

Urlaubsabgeltungsanspruch kann verwirken

Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist kein Ersatz des Urlaubes selbst, sondern ein reiner Entgeltanspruch. Er kann nicht nur verfallen, sondern auch verwirken. Denn die Verwirkung dient der Rechtsklarheit und ist an einen Zeit- sowie einen Umstandsmoment geknüpft.

Zeitmoment der Verwirkung

Ein Zeitmoment ist erfüllt, wenn der Berechtigte über einen hinreichend langen Zeitraum sein Recht nicht geltend gemacht hat. Hier verlangte der Arbeitnehmer die Urlaubsabgeltung, nachdem das Arbeitsverhältnis seit beinahe zwei Jahren beendet war. Das Zeitmoment war in diesem Fall gegeben.

Umstandsmoment der Verwirkung

Alleine der Zeitablauf kann die Verwirkung aber nicht rechtfertigen. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzukommen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung als unzumutbar für den Verpflichteten anzusehen. Dabei spielt das Verhalten sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten eine Rolle.

Die Umstände dieses Einzelfalles

Seitens der Arbeitgeberin war zu berücksichtigen, dass sie ihren Betrieb seit über zwei Jahren stillgelegt und zwischenzeitlich auch abgewickelt hatte. Seitens des Arbeitnehmers war zu berücksichtigen, dass er seit über zwei Jahren einen neuen Job hatte und das Arbeitsverhältnis noch vor Ablauf der Kündigungsfrist einvernehmlich beendet wurde. Außerdem hatte er ein Jahr nach der Beendigung Entgeltansprüche geltend gemacht, die bereits erfüllt waren und dabei die Urlaubsabgeltung mit keinem Wort erwähnt.

Deshalb durfte die Arbeitgeberin nicht damit rechnen, dass der Arbeitnehmer zehn weitere Monate später auch noch die Urlaubsabgeltung verlangt. Es ist ihr deshalb nicht zumutbar, diese Forderung noch zu erfüllen. Der Urlaubsabgeltungsanspruch war somit verwirkt.

Praxistipp:

Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie dient dem Vertrauensschutz und schließt die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten aus. Sie kann bereits vor der Verjährung des Anspruchs eintreten. Je kürzer allerdings die Verjährungsfrist, desto weniger Raum verbleibt für die Verwirkung. Deshalb werden die Vergütungsansprüche, die bereits nach drei Jahren verjähren, in der Regel selten verwirken können.

Allerdings bestätigt die obige Entscheidung, dass alleine die Zeitkomponente nicht ausschlaggebend ist. Denn die Verwirkung hat nicht den Zweck, Verpflichtete, denen gegenüber Berechtigte ihre Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb muss neben dem Zeitmoment der Berechtigte unter besonderen Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle. Erst dann durfte sich der Verpflichtete darauf einstellen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.

Yuliya Zemlyankina, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

ArbG Karlsruhe (16.03.2018)
Aktenzeichen 7 Ca 214/17
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 8.8.2018.
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