Urlaub

Urlaubssperre ist unwirksam

15. Januar 2020
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Quelle: © Marco Antonio Fdez. / Foto Dollar Club

Beim Urlaub muss der Arbeitgeber die Wünsche der Arbeitnehmer berücksichtigen – solange nicht dringende betriebliche Belange entgegenstehen. Das gilt auch für den Fall einer Urlaubssperre. Liegen deren Voraussetzungen nicht vor, muss der Arbeitgeber den beantragten Urlaub gewähren. Von Bettina Krämer.

Darum geht es:

Eine Arbeitnehmerin war seit mehr als 10 Jahren als Pflegeassistentin in einer Alten- und Pflegeinrichtung beschäftigt. Sie beantragte Ende 2018 bei der jährlichen Urlaubplanung  zwei Wochen Urlaub für Dezember 2019. Sie wollte zum Weihnachtsfest weiter weg in ihren Heimatort fahren, um dort die Weihnachtsfeiertage mit ihrer Familie zu verbringen. Die Klägerin und ihre Familie gehören dem katholischen Glauben an. Das Weihnachtsfest hat für die Familie daher besondere Bedeutung.

Die Arbeitgeberin bewilligte den Urlaub nicht. Sie begründete die Ablehnung damit, dass zur Weihnachtszeit und über Silvester keinem Mitarbeiter Urlaub genehmigt wird. Es bestehe eine Urlaubssperre, um einen reibungslosen Betriebsablauf zu gewährleisten. Erfahrungsgemäß seien um Weihnachten herum viele Pflegekräfte krank. Dank dieser Regelung sei es möglich, den Mitarbeitern jeweils zwei bis drei freie Tage während der Feiertage zu ermöglichen. Wenn sie jetzt der Klägerin zwei Wochen Urlaub gewähren würde, könne das je nach Höhe des Krankenstandes dazu führen, dass mehrere Beschäftigte an Weihnachten und Silvester zum Dienst eingesetzt werden müssten.

Dies akzeptierte die Arbeitnehmerin nicht und klagte.

Das sagt das Gericht

Die Arbeitnehmerin gewann, so dass sie zusammen mit Ihrer Familie Weihnachten verbringen konnte.

Voraussetzungen des Urlaubsanspruchs

Generell gilt, dass Arbeitnehmer/ innen nach dem BUrlG einen Anspruch auf Erholungsurlaub von mindestens vier Wochen im Jahr haben. Von diesen Urlaubswünschen kann der Arbeitgeber abweichen und die Lage des Urlaubs ändern. Dies kann er nur, wenn Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer unter sozialen Gesichtspunkten entgegenstehen oder aber betriebliche Belange vorliegen.

Betriebliche Belange

Im vorliegenden Fall lehnte die Arbeitgeberin ab, weil sie meinte, dass der Urlaub der Klägerin zu Störungen im Betriebsablauf führe. Dies sah das Gericht aber nicht als ausreichend an, um die „betrieblichen Belange“ zu bejahen.  Dies ist auch logisch, denn bei jedem Urlaub eines Mitarbeiters musss der Arbeitgeber den Betriebsablauf kompensieren, so dass dies allein sicher keine „betrieblichen Belange“ für eine Ablehnung eines Urlaubsanspruchs sein kann.

 Urlaubssperre schließt Urlaub nicht komplett aus

Das Gericht entschied, dass der Arbeitgeber auch während einer Urlaubssperre jeden Urlaubsantrag individuell prüfen muss.

Diese Prüfung hatte die Arbeitgeberin hier nicht gemacht. Sie hatte im Klageverfahren weder zum konkreten Personalbedarf  noch zu den zu erwartenden Fehlzeiten anderer Mitarbeiter vorgetragen. Zu diesen Berechnungsgrößen hätte die Arbeitgeberin, nach Auffassung des Gerichts, aber konkret vortragen können und müssen. Damit schloss die Urlaubssperre den Anspruch der Arbeitnehmer auf die 2 Wochen Urlaub vor Weihnachten nicht aus.

 Mitbestimmung

Im vorliegenden Fall gab es eine Besonderheit: Die Urlaubssperre war mit dem Betriebsrat abgesprochen worden.  Dies musste die Arbeitgeberin auch, denn gibt es einen Betriebsrat, ist die allgemeine Urlaubssperre mitbestimmungspflichtig, vgl.  § 87 Absatz 1 Nr. 5 BetrVG.

Das Gericht äußerte sich aber auch hierzu deutlich: Selbst wenn es in Absprache mit dem Betriebsrat eine Urlaubssperre gebe, müsse sich die Arbeitgeberin mit jeden einzelnen Urlaubsantrag auseinandersetzen. Der Arbeitgeber muss zwischen den Urlaubswünschen des Arbeitnehmers und den betrieblichen Belangen immer abwägen und diese einer Prüfung unterziehen.

Praxishinweis:

Einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer man nicht, kann der Beschäftigte nicht einfach in Urlaub gehen, sondern muss vor dem Arbeitsgericht klagen. Diese Verfahren dauern in der Regel einige Monate, mitunter auch Jahre. Wenn der Urlaub schon bald ansteht, kann zusätzlich zu einer Klage noch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt werden. Dazu sollte der Arbeitnehmer am besten einen Rechtsanwalt oder seinen gewerkschaftlichen Rechtsschutz beauftragen.

Thema der Betriebsratsarbeit

Auch der Betriebsrat sollte im Rahmen seiner Arbeit das Thema „Urlaub“ nicht auf die leichte Schulter nehmen. Der Betriebsrat hat nach dem BetrVG ein Mitbestimmungsrecht beim Aufstellen der allgemeinen Urlaubsgrundsätze und hinsichtlich des Urlaubsplans (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG).

Das Mitbestimmungsrecht umfasst:

  • Vorgaben für die Verteilung des Urlaubs im Kalenderjahr,
  • das Aufstellen von Auswahlkriterien, wenn mehrere Arbeitnehmerwünsche sich entgegenstehen,
  • Vorgaben für Urlaubsvertretungen
  • das Verfahren der Bewilligung selbst.

Auch bei Urlaubssperren besteht ein Mitbestimmungsrecht. Man sollte jedoch prüfen, ob eine Urlaubssperre überhaupt Sinn macht. Denn die Sperre entbindet den Arbeitgeber nicht von der Pflicht, Urlaubsanträge zu prüfen, wie das ArbG Braunschweig hier deutlich macht.

Sinnvoller ist es, einen ausgleichenden Konsens bei den Auswahlkriterien und der Planung selbst zu finden. Möglicherweise hat die Arbeitgeberin in diesem Verfahren auch deshalb einen »erhöhten Krankenstand« eingeplant, weil sie bisher Urlaubsanträge wegen der Urlaubssperre ungeprüft abgelehnt hat.

Bettina Krämer LL.M., DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

ArbG Braunschweig (20.11.2019)
Aktenzeichen 4 Ca 373/19
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