Betriebsratswahl

Wo die freie Wahl aufhört

26. März 2018 Betriebsratswahl
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Quelle: Eva Kahlmann_Dollarphotoclub

Niemand darf Betriebsratswahlen beeinflussen. Vor allem nicht der Arbeitgeber. Verboten ist aber nur der direkte Einfluss durch Drohungen oder das Versprechen von Vorteilen. Kritische Äußerungen von Führungskräften müssen Betriebsräte allerdings hinnehmen - so das Bundesarbeitsgericht. Von Margit Körlings.

Eine Betriebsratswahl in einem Gemeinschaftsbetrieb wurde von drei Wahlberechtigten angefochten, unter ihnen auch die Betriebsratsvorsitzende der vorangegangenen Amtsperiode. Zur Wahl standen vier Listen. Die Wahl fand am 5.4.2014 statt. Das Wahlergebnis wurde am 8.5.2014 ausgehängt.

Die Wahlberechtigten machten geltend, die Geschäftsführung und insbesondere der Personalleiter eines der am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen hätten die Wahl im Vorfeld unzulässig beeinflusst.

Äußerungen im Vorfeld der Wahl

Der Personalleiter hatte bei einem geselligen Treffen im September 2013 vor etwa 80 Mitarbeitern die Auffassung geäußert, die Betriebsratsvorsitzende behindere die Arbeit des Unternehmens. Dies könne man ändern, indem bei der Wahl im kommenden Jahr eine »gescheite Liste« aufgestellt würde. Der Geschäftsführer ergänzte, dass bei Gericht 50 vom Betriebsrat angestrengte Verfahren anhängig seien. Er sagte, man möge geeignete Mitarbeiter für einen neuen Betriebsrat suchen.

Im Herbst 2013 hatte der Personalleiter Beschäftigte angesprochen, sie mögen sich zur Wahl stellen und auch den Betriebsratsvorsitz übernehmen. Auch auf einem Führungskräftetreffen mit Mitarbeitern des Innendienstes mit Führungsverantwortung im Oktober 2013 war es um Betriebsratswahlen gegangen. Der Personalleiter hatte das d`Hondtsche Höchstzahlverfahren erläutert. Er habe gesagt, jeder, der die jetzige Betriebsratsvorsitzende wähle begehe »Verrat«. Dies habe zur Aufstellung einer weiteren Liste geführt.

Dadurch habe der Arbeitgeber entscheidend das Wahlergebnis beeinflusst. Zuletzt hatte das Hessische Landesarbeitsgericht die Wahl des Betriebsrats für den gemeinsamen Betrieb für unwirksam erklärt (Hessisches LAG, 12.11.2015 - 9 TaBV 44/15 -).

Arbeitgeber nicht zur Neutralität verpflichtet

Das BAG hob die Entscheidung des Hessischen LAG auf und erklärte die Betriebsratswahl für wirksam. Der siebte Senat vertrat die Auffassung, dass es keiner Neutralitätspflicht des Arbeitgebers (und seiner leitenden Angestellten) bedürfe. Die Freiheit der Wahlentscheidung würde durch das Wahlgeheimnis genügend gewährleistet.

Dadurch könne jeder seine Wahl nach freier Überzeugung treffen. Ob sich jemand durch andere Arbeitnehmer, Gewerkschaften oder gar den Arbeitgeber leiten lässt, ist allein seine Sache. Es sei vielmehr so, dass Meinungen Dritter, so auch des Arbeitgebers, zum Gegenteil führen könnten, nämlich wenn die Wahlempfehlung von dort kommt.

Ein striktes Neutralitätsgebot des Arbeitgebers würde zu einem hohen Anfechtungsrisiko führen, wenn jede kritische Äußerung des Arbeitgebers über den amtierenden Betriebsrat oder seine Mitglieder zu unterlassen wäre.

Auch die Aussage des Personalleiters, wer die jetzige Betriebsratsvorsitzende wähle begehe „Verrat“, beinhalte keine Androhung von Nachteilen, sie sei zu unbestimmt und überzeichnet.

Der Forderung, eine »gescheite Liste« aufzustellen, fehlt ebenfalls die Androhung von Nachteilen oder das Versprechen von Vorteilen für die Mitglieder dieser Liste. Auch die Vorstellung des d`Hondtschen Höchstzahlverfahrens auf dem Führungskräftetreffen habe nur tendenziösen Charakter, so das BAG.

Praxistipp

Die Entscheidung des BAG müssen Betriebsräte, Wahlvorstände und Gewerkschaften zur Kenntnis nehmen. Gleichwohl sollten sie auch in Zukunft alle Aktivitäten kritisch prüfen, die sich gegen die Betriebsratswahl, einzelne Listen oder Kandidaten richten, insbesondere die des Arbeitgebers.

Auch in der besonderen Situation der Wahl ist mitnichten alles erlaubt, wenn es auch im Rahmen der Meinungsfreiheit Arbeitgebern und Führungskräften frei steht, sich ablehnend über Listen und Bewerber zu äußern.

Gestattet etwa der Arbeitgeber einen Bewerber die Nutzung von Technik oder Räumlichkeiten, dem anderen Bewerber hingegen nicht, ist die Grenze überschritten. Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber einen Wahlbewerber wegen seiner Kandidatur befördert oder auf einen bevorzugten Arbeitsplatz versetzt.

Voraussetzungen einer Anfechtung

Bei einem Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren kann die Betriebsratswahl angefochten werden, es sei denn durch den Verstoß konnte das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden. Die Anfechtung muss durch mindestens drei Wahlberechtigte binnen einer Frist von zwei Wochen ab Bekanntgabe des Wahlergebnisses erfolgen, bestimmt § 19 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).

Wo beginnt die Wahlbeeinflussung?

Niemand darf die Wahl des Betriebsrates durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen (§ 20 Abs. 2 BetrVG).

Nachteil ist jedes Übel, dass geeignet ist, die freie Willensbetätigung zu beeinträchtigen. Ein Vorteil liegt vor, wenn eine Vergünstigung gewährt wird, auf welche kein Anspruch besteht. Insbesondere die finanzielle Unterstützung einzelner Kandidaten oder Wählerlisten muss unterbleiben.

Aber allein das Androhen von Nachteilen oder Versprechen von Vorteilen, stellt nach dem Wort von § 20 Abs. 2 BetrVG keine unzulässige Beeinflussung dar. Diese muss aber tatsächlich erfolgen. Die bloße Möglichkeit reicht nicht aus. Die Vorschrift ist inhaltlich zum Verbot der Wahlbehinderung in §20 Abs. 1 BetrVG abzugrenzen. Denn § 20 Abs. 2 BetrVG dient dem Schutz der Willensbildung der Wahlberechtigten.

Margit Körlings, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

BAG (25.10.2017)
Aktenzeichen 7 ABR 10/16
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 4.4.2018.
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