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Was passiert mit dem Urlaubsanspruch in Kurzarbeit?

10. September 2020 Urlaub, Kurzarbeit
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Quelle: © kosmos111 / Foto Dollar Club

Kurzarbeit trifft in der Corona-Krise Millionen Beschäftigte. Was ist beim Urlaub zu beachten? Antworten auf die wichtigsten Fragen gibt unser Experte und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Martin Bretzler, in der »Arbeitsrecht im Betrieb« 9/2020.

Die Corona-Krise trifft die deutsche Wirtschaft und die Arbeitnehmer hart: Die Unternehmen schicken Millionen Mitarbeiter mangels Beschäftigung in Kurzarbeit. Was ist bei Kurzarbeit und Urlaub zu beachten? Hier ein Auszug der wichtigsten Fragen und Antworten.

Müssen Beschäftigte Urlaub nehmen, bevor Kurzarbeit beantragt werden kann?

§ 96 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch 3 verlangt, dass der Erholungsurlaub vorrangig vor der Kurzarbeit zu nehmen ist, soweit Urlaubswünsche der Arbeitnehmer der Urlaubsgewährung nicht entgegenstehen oder bereits eine andere Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber stattgefunden hat. Vor diesem Hintergrund muss grundsätzlich Resturlaub aus dem vergangenen Jahr in der Regel vor der Kurzarbeit abgebaut werden.

Durch die Corona-Pandemie hat jedoch die Bundesagentur für Arbeit ihren fachlichen Weisungen überarbeitet. Damit sieht die Arbeitsagentur bis zum 31.12.2020 davon ab, die Einbringung von Erholungsurlaub aus dem laufenden Urlaubsjahr zur Bewilligung von Kurzarbeit vorrangig zu verlangen. Mithin gilt zumindest bis zum Jahresablauf 2020, dass der Urlaub aus dem Jahresurlaub aus dem Urlaubsjahr 2020 nicht eingebracht werden muss.

Was bedeutet Kurzarbeit für den diesjährigen Urlaubsanspruch?

Der jährliche Urlaubsanspruch entsteht nach den tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Regelungen, die auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sind. Ein Sonderfall besteht jedoch bei Kurzarbeit 0: Hier ist es möglich, dass der Urlaubsanspruch durch die Kurzarbeit 0 nicht entsteht. Das Bundesurlaubsgesetz (BurlG) findet in seinem Wortlaut hierzu keine eindeutige Regelung. In der Kommentarliteratur wird vertreten, dass der Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit 0 nicht entsteht.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat 2012 entschieden, dass die Betriebsparteien bei Kurzarbeit 0 zu Recht in einem Sozialplan den bezahlten Jahresurlaub im Verhältnis zur Arbeitszeitverkürzung gekürzt haben. Hierbei hat der EuGH bewusst eine Differenzierung zwischen Kurzarbeit 0 und Krankheit vorgenommen. Der EuGH begründet dies damit, dass der Arbeitnehmer aufgrund der Vorhersehbarkeit Freizeittätigkeit nachgehen oder sich ausruhen kann. Dies unterscheide die Situation von der eines arbeitsunfähigen Arbeitnehmers grundlegend. Der EuGH hat sich aber nicht dazu geäußert, ob eine solche Kürzung der Urlaubsansprüche automatisch eintritt. In seiner Entscheidung bestätigt er nur, dass eine Kürzung im Sozialplan oder arbeitsvertraglich entsprechend geregelt werden kann. Diese Rechtsprechung wurde auch vom LAG Hamm bestätigt mit Verweis darauf, dass die Arbeitstage proportional für den Urlaubsanspruch umgerechnet werden müssen.

Das LAG Hamm kommt auch zu dem Ergebnis, dass sich durch die Kurzarbeit 0 auch nach deutschem Recht kein Urlaubsanspruch entwickeln kann, da die Gegenleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses suspendiert sind. Somit besteht kein gesetzlicher Anspruch auf Urlaub aus BUrlG bzw. aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 aus europäischen Recht. Im Ergebnis ist diese Entscheidung für die Beschäftigten ungünstig. Gleichwohl wurde diese Rechtsfrage vom Bundesarbeitsgerichts (BAG) noch nicht entschieden, sodass bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des BAG die Geltendmachung von Urlaubsansprüchen auch bei Kurzarbeit 0 den Beschäftigten grundsätzlich empfohlen werden muss. Das BAG wird sicherlich nach dem derzeit massiven Anfall von Kurzarbeit im Rahmen der Corona-Pandemie häufigen Fallkonstellationen hierzu in den nächsten Jahren eine Entscheidung treffen.

Wie sieht das aus in Betrieben mit Betriebsrat, muss der Betriebsrat hierbei mitbestimmen?

Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu Fragen des Urlaubs auch in Kurzarbeitssituationen richten sich nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG. Weder Kurzarbeit, noch die Corona-Pandemie, ändern hier etwas an der Mitbestimmung des Betriebsrats. Daraus folgt, dass der Betriebsrat sowohl bei der Aufstellung des Urlaubsplanes, als auch bei den Grundsätzen der Urlaubsgewährung weiterhin voll in der Mitbestimmung ist. Zu beachten ist hier, dass dem Betriebsrat in jedem Einzelfall eines Streites über die Gewährung von Urlaub auf Wunsch des Arbeitnehmers die Schlichtungskompetenz zusteht.

Das vollständige Interview können Sie in der »Arbeitsrecht im Betrieb« 9/2020 ab Seite 25 lesen.

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