Beschäftigungssicherung

Wie Sie Krisensymptome rechtzeitig erkennen

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Quelle: © Kzenon / Foto Dollar Club

Plant der Arbeitgeber Maßnahmen, um einer wirtschaftlichen Krise zu begegnen, muss er den Betriebsrat darüber rechtzeitig informieren. Nur so kann dieser Nachteile für die Beschäftigten vermeiden. Wie der Betriebsrat an Informationen gelangt, sagt Ihnen Achim Thannheiser in der »Arbeitsrecht im Betrieb« (AiB) 10/2017.

Trotz der positiven Nachrichten über die konjunkturelle Hochzeit gibt es weiterhin zahlreiche Unternehmenskrisen. Zwei Beispiele: Die Niedrigzinspolitik und ein Fortschreiten der Automatisierung (Digitalisierung) stellen Banken und Versicherer vor große Probleme, die - wie so häufig - durch Abbau von Jobs gelöst werden sollen. Unter dem Betrug bei den Dieselabgaswerten leiden am Ende die Beschäftigten, weil die Absätze einbrechen und Umsatzzahlen durch Entlassung von Personal gerettet werden sollen.

Informationsquelle: Arbeitgeber

Informiert der Arbeitgeber den Betriebsrat erst kurz vor der Umsetzung mitbestimmungspflichtiger Maßnahmen – wie zum Beispiel der Entlassung von Beschäftigten - ist das zu spät. Die Informationspflichten des Unternehmens setzen nach dem BetrVG nicht erst kurz vor der Umsetzung der Maßnahme ein, sondern liegen weit davor. Dies folgt aus dem Gebot der »vertrauensvollen Zusammenarbeit« nach § 2 Abs. 1 BetrVG.

Informationsquelle: Wirtschaftsausschuss

In Unternehmen mit mehr als einhundert Beschäftigten ist ein Wirtschaftsausschuss zu bilden. Aufgabe des Wirtschaftsausschusses ist es, wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmen zu beraten und den Betriebsrat zu unterrichten. Zu diesem Zweck muss der Wirtschaftsausschuss über alle wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens informiert werden.

Zu den Informationen gehören nach § 106 Abs. 3 BetrVG die Aufklärung über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens, die Produktions- und Absatzlage, die Übernahme des Unternehmens, wenn hiermit der Erwerb der Kontrolle (also Mehrheitsanteile auf Übernehmer) verbunden ist. Darüber hinaus sonstige Vorgänge und Vorhaben, die die Interessen der Beschäftigten des Unternehmens wesentlich berühren können, wie beispielsweise Informationen über die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen oder den geplanten Erwerb von Betrieben. Das bedeutet, dass der Wirtschaftsausschuss in jedem Fall unverzüglich – also ohne Zögern – vom Unternehmen über eine Problemlage informiert werden muss.

Informationsquelle: Monatsgespräch

Werden Problemlage und Problemlösung konkreter und legt das Unternehmen sogar schon Projekte auf und beauftragt externe Berater oder bildet interne Arbeitsgruppen, so ist der Betriebsrat weiter einzubinden. Ein frühzeitiges Einbinden ist für Unternehmen auch von Vorteil, da mit dem Betriebsrat die praktische Seite hinzukommt – er weiß, wie eine Mitgestaltung und Umsetzung im Betrieb praktisch erfolgen kann. Dabei geht es nicht um eine Blockade, sondern um eine praktikable und »sozialverträgliche« Problemlösung. Aus diesem Grund bietet sich das Monatsgespräch zur weiteren Beratung an. In ihm sollen alle Belange des Unternehmens Thema sein.

Keine Information - keine Umsetzung

Maßnahmen, bei denen es um eine Beteiligung im Rahmen eines »vollen« Mitbestimmungsrechts wie beispielsweise in § 87 BetrVG geht, dürfen erst umgesetzt werden, wenn das Mitbestimmungsverfahren abgeschlossen ist, sprich, ohne Zustimmung des Betriebsrats läuft hier nichts Der Betriebsrat könnte durch eine einstweilige Unterlassungsverfügung beim Arbeitsgericht den Stopp der Umsetzung der Maßnahme erreichen. Damit hat er eine starke Möglichkeit, alle erforderlichen Informationen auch zu erhalten. Bei unzureichender Unterrichtung beginnen Mitbestimmungsfristen (beispielsweise § 99 Abs. 3, § 102 Abs. 2 BetrVG oder Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG) erst zu laufen, wenn der Betriebsrat vollständig unterrichtet wurde!

Die Theorie in die Praxis umgesetzt

Die beschriebenen Grundsätze zum Informationsanspruch des Betriebsrats werden in der Praxis oft unterlaufen. Die einen Betriebsräte werden mit Informationen überhäuft, so dass sie darin geradezu ersticken und Wichtiges von Unwichtigem nicht trennen können und den anderen werden Informationen verweigert. Damit entzieht der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Basis für seine Teilhabe. Ob auf Seiten des Unternehmens dahinter Unwissenheit oder Kalkül steckt, mag dahingestellt bleiben, da die Folgen gleich sind. Der Betriebsrat sollte daher dem Unternehmen genau aufgeben, welche Informationen er haben möchte

 

Beispiel

NICHT: Sehr geehrte Damen und Herren der Geschäftsleitung, bitte übersenden Sie uns alle Unterlagen zur anstehenden Umorganisation.

SONDERN: Sehr geehrte Damen und Herren der Geschäftsleitung, bitte übersenden Sie uns zur anstehenden Umorganisation die fehlenden Funktionsbeschreibungen der bestehenden Stellen und die der neuen Stellen.

 

Wirtschaftsausschuss taktisch einsetzen

Erhält der Wirtschaftsausschuss nicht alle erforderlichen Informationen von Unternehmen, so kann er den Betriebsrat um Vermittlung bitten. Kommt zwischen Betriebsrat und Unternehmen auch keine Einigung zustande, so kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Diese kann dann Sachverständige hören und entscheidet abschließend (§ 109 BetrVG). Abschließend bedeutet, dass die Entscheidung gerichtlich nicht mehr überprüft werden kann. Anfechtbar wäre der Einigungsstellenspruch nur aus formalen Gründen, wie beispielsweise Fehler in der Besetzung. Damit hat also der Wirtschaftsausschuss die Möglichkeit, über ein Einigungsstellenverfahren, Informationsansprüche schnell durchzusetzen und ist nicht auf die langwierige Hilfe von Gerichten verwiesen.

Erfahren Sie mehr über den Umfang der Informationsansprüche und wie auch der Aufsichtsrat zur Informationsgewinnung beitragen kann, in dem Beitrag »Wissen schafft Macht« von Achim Thannheiser in der aktuellen AiB 10/2017 ab Seite 14.

© bund-verlag.de (EMS)

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