Eingliederungsmanagement

Experten-Interview zum BEM

28. August 2017
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Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig, ist ihnen ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Aber wie bestimmt sich dieser 6-Wochen Zeitraum? Und wo liegt der Unterschied zum Kranken-Rückkehrgespräch? Das Wichtigste beantwortet Ihnen Sigrid Britschgi, Autorin unseres Ratgebers zum BEM.

Frau Britschgi, Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig sind, ist ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Wozu dient das BEM?

Mit Hilfe des BEM soll nach der Zielsetzung des Gesetzes Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten bleiben.

In welchen Betrieben kommt ein BEM in Frage und wer ist zu beteiligen?

Im Gegensatz zu vielen anderen arbeitsrechtlichen Vorschriften kommt es für das Verfahren des BEM nicht auf die Größe des Betriebs oder Unternehmens an. Die Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer ist unerheblich.

Neben Arbeitgeber und dem betroffenen Beschäftigten sind vor allem der Betriebsrat und gegebenenfalls die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen. Je nach Fallgestaltung können der Betriebsarzt, das Integrationsamt und die sogenannten Servicestellen hinzugezogen werden. Dabei handelt es um gemeinsame Beratungsstellen der Rehabilitationsträger, also z.B. gesetzliche Krankenkassen, Unfall- und Rentenversicherungen sowie die Bundesagentur für Arbeit.

Wie bestimmt sich der 6-Wochen-Zeitraum?

Dabei sind 2 Faktoren wichtig: Ein BEM kommt nicht erst in Frage, wenn die Arbeitsunfähigkeit eines Beschäftigten ununterbrochen mehr als 6 Wochen dauert. Auch mehrere kürzere Arbeitsunfähigkeitszeiten, die zusammengerechnet mehr als 6 Wochen betragen, können zur Anwendung eines BEM führen. Der zweite Faktor ist, dass dabei nicht der Blick auf das Kalenderjahr gerichtet wird, sondern auf die zurückliegenden 12 Monate. War ein Beschäftigter z.B. erstmals vom 15. bis zum 31. Mai erkrankt, zieht sich der weitere Betrachtungszeitraum bis zum 14. Mai des folgenden Jahres.

Wie sieht die Mitbestimmung des Betriebsrats beim BEM aus? Worauf sollte er achten?

Der Gesetzgeber hat das Verfahren des BEM nur grob umrissen. Daher ergeben sich viele regelungsbedürftige Fragen, bei denen der Betriebsrat zu informieren und zu beteiligen ist. Dies beginnt bereits bei der Sammlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten. Die persönlichen Anschreiben an potentiell von einem BEM betroffene Beschäftigte sind vorzulegen. Außerdem stellt sich z.B. die Frage, ob ein BEM-Team gebildet wird, das für die Durchführung der konkreten Verfahren zuständig ist und wer Mitglied dieses Teams wird. Da sehr persönliche Themen Gegenstand des Verfahrens werden können, sollte der Betriebsrat auch regeln, wo die Unterlagen aufbewahrt werden und wie lange.

Was ist ein Krankenrückkehrgespräch? Wo liegt der Unterschied zum BEM?

Ein Krankenrückkehrgespräch unterscheidet sich vom BEM vor allem dadurch, dass es nicht vom Prinzip der Freiwilligkeit geprägt ist. Einem BEM muss kein Beschäftigter zustimmen, während er sich der Aufforderung zu einem Krankenrückkehrgespräch in der Regel nicht entziehen kann. Das Krankenrückkehrgespräch hat außerdem eine andere Zielsetzung: es dient vielfach allein dazu, Beschäftigten zu verdeutlichen, dass ihre Arbeitsunfähigkeit den Arbeitsplatz gefährdet, nicht aber – wie das BEM – den Arbeitsplatz zu erhalten.

Die Interviewpartnerin:

Sigrid Britschgi: Fachanwältin für Arbeitsrecht und Familienrecht im Anwaltsbüro Bell & Windirsch, Britschgi & Koll in Düsseldorf sowie Referentin in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit.

© bund-verlag.de (ls)

 

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