Betriebsratsarbeit

Das sind die wichtigsten Themen für Betriebsräte

23. Juni 2016
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Quelle: Bund-Verlag

Betriebsratsarbeit ist ständigen Änderungen in Recht und Gesetz unterworfen. Welche Auswirkungen hat beispielsweise die aktuelle BAG-Rechtsprechung auf eine Beschlussfassung? Welche Themen sind für Betriebsräte am wichtigsten? Und wie können Sie Ihre Mitbestimmung durchsetzen? Im Interview verrät Christian Schoof, Autor unserers Lexikons »Betriebsratspraxis von A bis Z«, worauf es ankommt.

Das Lexikon „Betriebsratspraxis von A bis Z“ erscheint in neuer Auflage. Was sind aktuell die wichtigsten Themen für die praktische Betriebsratsarbeit und warum?

Hauptthemen der Betriebsratsarbeit sind nach wie vor: Sicherung und Förderung der Beschäftigung und eine vernünftige Gestaltung der Arbeitsbedingungen (Arbeitsentgelt, Arbeitszeit, Arbeits- und Gesundheitsschutz, usw.). Die Arbeitgeber und ihre Berater lassen sich immer wieder Neues einfallen, um ihre Renditen auf Kosten der Beschäftigten zu steigern. Renner sind dabei: die als Rechtsmissbrauch zu wertende Praxis, Arbeitsverträge generell zu befristen, massenhafter Einsatz von Leiharbeit, Ausgliederung von Arbeit durch Werkverträge, Tarifflucht. Derartige Zumutungen abzuwehren und stetig an einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu arbeiten: das ist Sinn und Zweck von Betriebsratsarbeit.

Welche Gesetzesänderungen haben seit der letzten Auflage 2014 besondere Auswirkungen auf die Betriebsratsarbeit?

Wichtig ist das neue Mindestlohngesetz. Es verhindert in vielen nicht tarifgebundenen Betrieben sittenwidrig niedrige Löhne. Ebenfalls neu ist das sog. Tarifeinheitsgesetz vom 3.7.2015. Es soll sog. Berufsgruppengewerkschaften kaltstellen. Beim Bundesverfassungsgericht sind mehrere Verfassungsbeschwerden anhängig. Alle sind gespannt, wie das Gericht entscheidet. Aktuell „in Arbeit“ ist ein Gesetzentwurf, mit dem die schwarz-rote Koalition den von Arbeitgeberseite betriebenen Missbrauch von Leiharbeit und Werkvertragsarbeit stoppen will. Viele halten den Entwurf für unzureichend.

Die Beschlussfassung ist Voraussetzung für jedes Handeln des Betriebsrats? Was ist besonders wichtig und welche Auswirkungen hat die aktuelle BAG-Rechtsprechung?

Nach früherer BAG-Rechtsprechung konnte zu Themen, die nicht auf der Tagesordnung der Betriebsratssitzung standen, ein wirksamer Beschluss nur dann gefasst werden, wenn alle Betriebsratsmitglieder anwesend und alle mit einer Beschlussfassung einverstanden waren. Diese in der Praxis nur schwer umsetzbare Anforderung führte oft zu unwirksamen Betriebsratsbeschlüssen, was die Arbeitgeberseite stets für ihre Zwecke ausnutzte.
  • Beispiel: unwirksamer Beschluss zur Entsendung eines Betriebsratsmitglieds auf eine Schulung. Folge: der Arbeitgeber musste weder das Arbeitsentgelt zahlen noch die Kosten der Schulung übernehmen.
Nach heutiger – richtiger – BAG-Rechtsprechung reicht es aus, dass die anwesenden Betriebsratsmitglieder einstimmig beschließen, über einen nicht durch Tagesordnung angekündigten Punkt abzustimmen. Nicht (mehr) erforderlich ist, dass in dieser Sitzung alle Betriebsratsmitglieder anwesend sind. Natürlich müssen alle Mitglieder des Betriebsrats zu der Sitzung eingeladen worden sein und Beschlussfähigkeit vorliegen. Die neue Rechtsprechung erleichtert die Betriebsratsarbeit deutlich.

„Ohne Mitwirkung und Mitbestimmung kann es eine erfolgreiche Betriebsratsarbeit nicht geben“ – Worauf müssen Betriebsräte hier besonders achten?

In einem Betrieb ohne Betriebsrat kann der Arbeitgeber auf Basis seines sog. Direktionsrechts frei schalten und walten. Das geht in einem Betrieb mit Betriebsrat nicht. Viele Arbeitgeber sehen in ihm ein lästiges Übel – Sand im Getriebe. Man wird nicht müde, Betriebsräte mit allerlei Tricks oder sogar Maßnahmen, die als strafbare Behinderung der Betriebsratstätigkeit einzustufen sind, auszuhebeln. Manchmal versucht man es „auf die partnerschaftlichen Tour“. Das Ziel ist gleiche: der Betriebsrat soll von konsequenter Interessenvertretung abhalten werden. Konsequente Vertretung der Interessen der Beschäftigten ist aber genau das, was das BetrVG vom Betriebsrat fordert. Man schaue sich nur mal den umfassenden Aufgabenkatalog des § 80 BetrVG an. Damit der Betriebsrat seine Aufgaben erfüllen kann, stellt ihm das BetrVG einen Werkzeugkasten mit Mitwirkungs- und vor allem Mitbestimmungsrechten zur Verfügung.

  • Besonders wichtig: die Möglichkeit, in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten die Einigungsstelle anzurufen. Sie bildet das »Rückgrat« der Betriebsratsarbeit. Ohne Mitbestimmung und Einigungsstelle wäre Betriebsratsarbeit nichts anderes als »kollektives Betteln«. Oft genügt schon die Ankündigung eines Einigungsstellenverfahrens, um den Arbeitgeber zu einem konstruktiven vernünftigen Verhalten zu bewegen.
  • Ansonsten: Beteiligung der Beschäftigten und Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft sind unverzichtbar. Betriebsrat, Belegschaft und Gewerkschaft ziehen an einem Strang. Das muss im „laufenden Geschäft“ deutlich werden. Und wenn dann noch der gewerkschaftliche Organisationsgrad stimmt, liegen alle Voraussetzungen für erfolgreiche Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite vor.

Die nächsten Betriebsratswahlen stehen vor der Tür – Welche Tipps haben Sie dazu?

Engagierte Beschäftigte sollten angesprochen und ermuntert werden, für den Betriebsrat zu kandidieren. Gefragt sind Kolleginnen und Kollegen, die Freude daran haben, sich für die Interessen der Beschäftigten einzusetzen und die die Bereitschaft mitbringen, sich dafür zu qualifizieren. Bei der Vorbereitung der Wahl sollte natürlich die Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft gesucht werden. Letztlich geht es vor dem Hintergrund der oft harten Interessengegensätze darum, in Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite zu Ergebnissen zu kommen, in denen die Belange der Beschäftigten angemessen berücksichtigt sind. Und dafür braucht es einen starken Betriebsrat. Mit selbstbewussten und gut ausgebildeten Mitgliedern. Der Interviewpartner:

Christian Schoof, Rechtsanwalt, langjähriger Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall Bezirksleitung Hamburg, Herausgeber und Buchautor.

 

 

Unser Lesetipp:
Christian Schoof Betriebsratspraxis von A bis Z

Das Lexikon für die betriebliche Interessenvertretung (inklusive Online Zugriff auf alle Inhalte)

Reihe: Praxis der Interessenvertretung von A bis Z 2016, 2304 Seiten, Buch inkl. Online-Nutzung, 12. Aufl.

ISBN: 978-3-7663-6496-8

Verlag: Bund-Verlag   © bund-verlag.de (ls)
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