Gleichbehandlung

EuGH soll Ansprüche von Scheinbewerbern prüfen

19. Juni 2015

Diskriminierung bei der Stellenvergabe aufzudecken, ist ein legitimes Ziel. Für die Arbeitgeber gelten die Scheinbewerber eher als Betrüger, da sie oft Schadenersatz erschleichen wollen. Das BAG lässt jetzt vom EuGH klären, ob nicht ernsthafte Bewerber überhaupt Ansprüche anmelden können.

Rechtsanwalt bewirbt sich auf Trainee-Stelle

Der Kläger hat 2001 die Ausbildung zum Volljuristen abgeschlossen und ist seitherüberwiegend als selbständiger Rechtsanwalt tätig. Die Beklagte, die zu einem großen Versicherungskonzern gehört, schrieb ein »Trainee-Programm 2009« aus.

Dabei stellte sie als Anforderung einen nicht länger als ein Jahr zurückliegenden oder demnächst erfolgenden sehr guten Hochschulabschluss und qualifizierte berufsorientierte Praxiserfahrung durch Ausbildung, Praktika oder Werkstudententätigkeit. Bei der Fachrichtung Jura wurden zusätzlich eine arbeitsrechtliche Ausrichtung oder medizinische Kenntnisse erwünscht.

Der Kläger bewarb sich hierfür. Er betonte in seiner Bewerbung, dass er als früherer leitender Angestellter einer Rechtsschutzversicherung über Führungserfahrung verfüge, sich derzeit im Arbeitsrecht qualifiziere und Erfahrung im Medizinrecht habe.

Kläger fordert 14.000 Euro nach Absage

Nach der Ablehnung seiner Bewerbung verlangte der Kläger eine Entschädigung in Höhe von 14.000,00 Euro. Die nachfolgende Einladung zum Gespräch mit
dem Personalleiter der Beklagten lehnte er ab. Er schlug vor, nach Erfüllung seines Entschädigungsanspruchs sehr rasch über seine Zukunft bei der Beklagten zu sprechen.

Das ArbG Wiesbaden und das Hessische Landesarbeitsgericht (Urteil vom 18. März 2013 - 7 Sa 1257/12 –) hatten die Klage abgewiesen. Das LAG hatte in seinem Urteil darauf abgestellt, dass die Förderung von Berufsanfängern ein legitimes Ziel und Rechtfertigung dafür sei, ältere und erfahrenere Bewerber von einer Traineestelle auszuschließen. Dagegen legte der Kläger Revision zum BAG ein.

BAG sieht Bewerbung nicht als ernsthaft an

Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sah die Bewerbung als nicht ernsthaft an. Aufgrund der Bewerbungsformulierung und des weiteren Verhaltens geht das BAG davon aus, dass sich der Kläger nicht mit dem Ziel einer Einstellung beworben hat. Das Bewerbungsschreiben steht einer Einstellung als »Trainee« entgegen. Die Einladung zu einem Personalgespräch hat er ausgeschlagen.

Damit ist der Kläger nach nationalem Recht nicht »Bewerber« und »Beschäftigter« im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG. Das Unionsrecht nennt jedoch in den einschlägigen Richtlinien nicht den »Bewerber«, sondern schützt den »Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger und selbständiger Erwerbstätigkeit«.

Diskrepanz zwischen Unionsrecht und deutschem AGG?

Deshalb will das BAG den Streit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegen.
Nicht geklärt ist, ob das Unionsrecht ebenfalls voraussetzt, dass wirklich der Zugang zur Beschäftigung gesucht und eine Einstellung bei dem Arbeitgeber tatsächlich gewollt ist. Die Frage, ob für das Eingreifen des unionsrechtlichen Schutzes das Vorliegen einer formalen Bewerbung genügt, kann allein der EuGH beantworten.

Das BAG hat seine Vorlagefrage an den EuGH so formuliert:

Ist das Unionsrecht dahingehend auszulegen, dass auch derjenige »Zugang zur Beschäftigung oder zur abhängigen Erwerbstätigkeit« sucht, aus dessen Bewerbung hervorgeht, dass nicht eine Einstellung und Beschäftigung, sondern nur der Status als Bewerber erreicht werden soll, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können?

Quelle :
BAG, Beschluss vom 18. Juni 2015
Aktenzeichen 8 AZR 848/13 (A)
BAG, Pressemitteilung Nr. 34/15 vom 18.06.2015


Lesetipp der AiB-Redaktion
»Kein Papiertiger« - Zur Bedeutung des EuGH für das Betriebsverfassungsrecht - von Rudolf Buschmann in »Arbeitsrecht im Betrieb« 4/2014, S. 21-24. .

© bund-verlag.de (ck)

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