Gesundheitsschutz

Fit am Arbeitsplatz

13. Oktober 2016
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Quelle: drubig photo_Dollarphotoclub

Sport hält gesund. Wie aber sollen Beschäftigte Sport treiben, wenn sie den ganzen Tag arbeiten? Ganz einfach: Das Fitness-Center kommt zu ihnen in den Betrieb. Gesagt, getan durch den Betriebsrat der Schmitz Cargobull AG. Im Interview mit der »Arbeitsrecht im Betrieb« (AiB) 10/2016 erläutert der Betriebsratsvorsitzende Manuel Terhürne, wie das nicht ganz alltägliche Projekt gelingen konnte.

Das Projektziel lautete: Noch mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Schmitz Cargobull Werkes Vreden von Betriebssportaktivitäten zu überzeugen und sie zur regelmäßigen Teilnahme zu bewegen. Die Idee dazu war, einen Sattelschlepper in ein Fitnesstudio umzuwandeln.

Wie sind Sie auf diese für den Gesundheitsschutz ambitionierte Idee gekommen?

Aus den gewonnenen Erfahrungen bereits vorhandener Angebote im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements wollten wir die Kolleginnen und Kollegen dabei unterstützen es dem »inneren Schweinehund« so schwer wie möglich zu machen. Kann das Training im direkten Umfeld der Arbeit und entsprechender Organisation stattfinden, ist die Einstiegshürde deutlich niedriger als bei externen Angeboten. Daher war der Anspruch qualitativ gute und individuell angepasste Trainingsmöglichkeiten vor Ort anzubieten. Da es aber zunächst an den Platzverhältnissen im Werk zu scheitern drohte, kamen wir im Projektteam um Christoph Jolk, dem Kooperationspartner, und Martin Resing unserer Sicherheitsfachkraft und mir zur Idee eines unserer Fahrzeuge umzubauen. Die Fläche eines Aufliegers entspricht etwa der eines Gesundheitszirkels im Fitnessstudio. So war die zunächst »verrückt« wirkende Idee geboren.

Wie können wir uns das Training im Sattelkoffer vorstellen?

Jeder startet zunächst mit einem Eingangsscreening, bei dem nach Wunsch eine Herz-Kreislaufanalyse auf dem Ergometer oder eine Rückenanalyse mit dem MediMouse Verfahren (Messgerät zur computerunterstützten Darstellung und Untersuchung der Form und Beweglichkeit der Wirbelsäule) durchgeführt wird. Anhand dieser Ergebnisse wird durch das Trainerteam dann ein individuell angepasstes Training auf acht verschiedenen Trainingsgeräten erstellt. Der zweite Termin befasst sich dann mit der Trainingseinführung, bei dem alle Geräte, Gewichte und Einstellungen für den Mitarbeiter vorgenommen werden. Diese Werte werden auf einer Karte gespeichert, mit welcher sich die Geräte in den folgenden Einheiten selbstständig anpassen. Im Anschluss erfolgen dann 10 weitere Trainingseinheiten mit je 30 Minuten, die begleitet durch anwesende Trainer absolviert werden.

War es schwer die Beschäftigten von dem rollenden Fitnessstudio zu überzeugen und wie wird es mittlerweile angenommen?

Das Überzeugen weiterer Kollegen/-innen war ja ein erklärtes Ziel des Projektes. Somit haben wir uns auch vor Start intensiv mit der Kommunikation auseinander gesetzt. Wir haben alle betrieblichen Kanäle genutzt, um ein breites Marketing zu haben. Zudem haben wir alle Führungsebenen eingebunden um auch Vorbildfunktionen zu nutzen. Zum Start haben wir definiert, dass Teams, die sich zu einem hohen prozentualen Anteil melden, zeitlich bevorzugt in das Training einsteigen können. Dies hat in den einzelnen Bereichen nochmal für Motivation gesorgt und wir haben vermehrt auch Leute gewinnen können, die bisherige Angebote nicht genutzt haben.

Zum Start der Pilotphase haben wir mehr als die Hälfte der Belegschaft zur Anmeldung überzeugen können. Für uns ein toller Erfolg. Mit keiner der bisherigen Maßnahme im Rahmen des Gesundheitsmanagements konnten wir einen solchen Wert erreichen.

Was hat der Arbeitgeber dazu beigesteuert?

Bei der gesamten Umsetzung waren wir selbstverständlich auf die Unterstützung angewiesen. Unter Einbindung und Unterstützung weiterer Akteure, haben wir das Fahrzeug technisch geplant und umgebaut. Hierzu waren finanzielle Mittel, sowie betriebliche Ressourcen notwendig. Toll war, dass der gesamte Umbau innerhalb eines Auszubildenden-Projektes gelaufen ist. Alle im Werk vorhanden Ausbildungsfachrichtungen unter Leitung des Ausbildungsleiters Christian Kemper wurden eingebunden.

Wie haben Sie es erreicht, dass der Arbeitgeber die Arbeitszeit zur Fitness bereitgestellt hat – das ist ja keine Selbstverständlichkeit?

Hier galt es natürlich schon im Vorfeld, konzeptionell zu überzeugen. Auch nach aktuellen Berichten und Erhebungen der Krankenkassen, haben Muskel-Skeletterkrankungen den höchsten Anteil an Arbeitsunfähigkeiten. Zudem wird dieser Aspekt im Bezug zum demographischen Wandel eine immer größere Herausforderung. Wir haben die Chance erkannt, mit einer hohen Beteiligung und qualitativ gutem Training diese Probleme und Herausforderung annehmen zu können. Reine Gesundheitstage sind gut, das Projekt nimmt diesen Gedanken auf und reichert diesen mit konkreten Maßnahmen und einem dauerhaften Angebot an. Das ist tatsächliche Prävention. Ein weiterer Punkt ist die Einbindung aller betrieblichen Instanzen. Im Projekt zum Gesundheitsmanagement arbeiten Sicherheitsfachkräfte, Personalabteilung und Betriebsrat gemeinsam an Lösungen. Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit schafft Akzeptanz und Umsetzungsgeschwindigkeit.

Wie geht es weiter?

In der Zwischenzeit gibt es zwei wissenschaftliche Studien, die sich mit den Ergebnissen des Trainings beschäftigt haben. Der bisherige, subjektiv positive Eindruck der Teilnehmer, wird hier nochmal objektiv bestätigt. Erfolge und Trainingseffekt sind nun tatsächlich belegbar. Für uns die Bestätigung, weiterzumachen und das Konzept immer weiter zu entwickeln. Unser Ziel bleibt, die Gesundheitsverantwortungskultur weiter auszubauen. Nach dem ersten Durchlauf von 12 Einheiten darf nicht Schluss sein. Wir wollen, dass alle Mitarbeiter dauerhaft im Training bleiben, oder die Erfahrung als Einstieg in weitere Maßnahmen nutzen.

Für uns geht es im Projekt zum Gesundheitsmanagement zudem noch an vielen weiteren Punkten weiter. Wir haben da noch mehr solcher Ideen. Aktuell liegen die Themen Ergonomie, Sozialberatung und der Umgang mit Schichtarbeit im Fokus. Was können Sie anderen Betriebsräten raten, die das Arbeits- und Gesundheitsmanagement nach vorne bringen wollen und keinen Sattelkoffer haben? Einen Sattelkoffer kann man bei uns natürlich jederzeit bekommen. Das ist unser Tagesgeschäft ;-). Auch das Konzept ist über unseren Kooperationspartner übertragbar.

Wichtig bei weiteren Themen zum Gesundheitsmanagement ist sicherlich, die entsprechenden betrieblichen Akteure an einem Tisch zu haben, um eine breite Akzeptanz zu bekommen. Es muss klar sein, wer hat wobei den Hut auf und »dreht den Teller«. Auch die Nutzung externer Unterstützer wie Krankenkassen, Berufsgenossenschaften etc. ist ebenfalls sinnvoll. Nicht alles muss neu erfunden werden. Viele Maßnahmen sind auch schon mit überschaubarem Einsatz von Mitteln umsetzbar. Wichtig ist ein ausgeglichener Umgang mit Verhältnis- und Verhaltensprävention. Ansonsten, einen Schritt machen, Erfolge sehen, Spaß haben und den nächsten Schritt tun.

Der Interviewpartner:

Manuel Terhürne ist seit 2002 ist Betriebsratsmitglied. 2010 wurde er erstmals freigestellt und stellvertretender Betriebsratsvorsitzender. Seit 2013 ist er Betriebsratsvorsitzender des Werks Vreden.

Quelle:

»Arbeitsrecht im Betrieb« (AiB) 10/2016, S. 57. Noch kein Abonnent der AiB? Jetzt zwei Ausgaben kostenfrei testen!

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