Ausbildung

Keine Anrechnung des Praktikums auf Probezeit

20. November 2015

Ein Ausbildungsverhältnis muss mit einer Probezeit zwischen einem und vier Monaten beginnen. Die Frist dient dem gegenseitigen Kennenlernen unter den Bedingungen der Ausbildung. Deshalb darf auch ein vorausgegangenes Praktikum nicht auf die Probezeit angerechnet werden, so das BAG.

Kündigung vor Ende der Probezeit

Der Kläger bewarb sich im Frühjahr 2013 bei der beklagten Arbeitgeberin um eine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel. Die Arbeitgeberin versprach ihm die Aufnahme der Ausbildung zum 01.08.2013. Zur Überbrückung schlossen die Parteien einen »Praktikantenvertrag« mit einer Laufzeit bis zum 31.07.2013, der eine Probezeit von zwei Monaten vorsah. Gesondert schlossen sie den Berufsausbildungsvertrag.

Die Ausbildung begann wie vereinbart mit einer Probezeit von drei Monaten. Kurz vor Ende der Probezeit kündigte die Arbeitgeberin das Ausbildungsverhältnis schriftlich am 29.10.2013. Die Arbeitgeberin hatte den Betriebsrat der Filiale zu der Kündigung angehört mit der Begründung »Herr L hat unseren Erwartungen aufgrund fehlender Eigeninitiative nicht entsprochen«. Der Betriebsrat hatte zugestimmt.

Der entlassene Auszubildende erhob Kündigungsschutzklage. Vor Gericht machte er geltend, die Kündigung sei unwirksam. Das vorausgegangene Praktikum sei auf seine Probezeit anzurechnen. Denn bereits in dieser Zeit habe sich die Arbeitgeberin ein vollständiges Bild über ihn machen können. Daher sei die Kündigung erst nach Ablauf der Probezeit erklärt worden.

Kündigung ist wirksam

Damit irrte er sich leider, denn die Kündigungsschutzklage blieb in allen Instanzen erfolglos. Nach § 22 Abs. 1 BBiG können beide Seiten das Ausbildungsverhältnis während der Probezeit »jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist« kündigen. Dies hat der Arbeitgeber getan. Diese Probezeit war zum Kündigungszeitpunkt am 29.10.2013 noch nicht abgelaufen.

§ 20 Satz 1 BBiG ordnet zwingend an, dass das Berufsausbildungsverhältnis mit einer Probezeit beginnt. Die Probezeit soll beiden Vertragspartnern ausreichend Gelegenheit bieten, die wesentlichen Umstände des Ausbildungsverhältnisses eingehend zu prüfen. Das gilt für den Auszubildenden ebenso wie für den Betrieb, der die Ausbildung durchführt.

Praktikum wird nicht angerechnet

Diese gegenseitige Prüfung, so das BAG, sei nur unter den Bedingungen des Berufsausbildungsverhältnisses mit seinen spezifischen Pflichten möglich. Die Dauer eines vorausgegangenen Praktikums sei deshalb nicht auf die Probezeit in einem folgenden Berufsausbildungsverhältnis anzurechnen. Auf den Inhalt und die Zielsetzung des Praktikums komme es nicht an. Dasselbe, betont das BAG, würde auch dann gelten, wenn es sich hierbei nicht um ein Praktikum, sondern um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hätte (vgl. BAG v. 16.12.2004 - 6 AZR 127/04 -).

Quelle:
BAG, Urteil vom 19.11.2015
Aktenzeichen 6 AZR 844/14
BAG, PM 59/2015 vom 19.11.2015

Lesetipp der AiB-Redaktion:
Freie Mitarbeiter und Praktikanten: »Auch Kunden des Betriebsrats« von Frank Siebens in »Arbeitsrecht im Betrieb« 7-8/2015, S. 26-29.
© bund-verlag.de (ck)

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