Schwerbehindertenvertretung

Keine Kündigung mehr ohne Schwerbehindertenvertretung

14. Juni 2017
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Quelle: © Doris Heinrichs / Foto Dollar Club

Eine neue Vorschrift im Sozialgesetzbuch stärkt die Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung (SBV). Eine Kündigung ohne vorherige Anhörung der SBV ist unwirksam. Wie schwerbehinderte Beschäftigte davon profitieren und warum eine gute Zusammenarbeit von Betriebsrat und SBV so wichtig ist, verrät Wolf-Dieter Rudolph in der  »Arbeitsrecht im Betrieb« (AiB) 6/2017.

Miteinander reden ist immer gut - das gilt auch für den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung (SBV). Wichtig ist das besonders bei personellen Einzelmaßnahmen wie Einstellungen. Beiden Organen hat der Gesetzgeber verschiedene Rechte zugestanden. Befindet sich bei einer Einstellung mindestens ein Schwerbehinderter im Bewerberpool, hat die SBV ein Teilnahmerecht bei Bewerbungsgesprächen. Sie erhält dadurch viele Informationen, die dem Betriebsrat in dieser Zeitphase noch nicht mitgeteilt werden müssen.

Neue Vorschriften ärgern Arbeitgeberlobby

Das neue Bundesteilhabegesetz (BTHG) macht den engen Informationsaustausch sowie eine Absprache über das Vorgehen von Betriebsrat und SBV auch im Fall von Kündigungen von Schwerbehinderten nötig. Der Grund liegt in der Stärkung der Beteiligungsrechte der SBV bei Kündigungen. Der Gesetzgeber hat zum Ärger der Arbeitgeberlobby einen neuen Satz 3 in den § 95 Abs. 2 SGB IX eingefügt: Eine Kündigung ohne Beteiligung der SBV soll rechtsunwirksam sein.

Beteiligungsrechte der SBV gestärkt

Der Arbeitgeber ist gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor der Entscheidung anzuhören. Darüber hinaus hat er die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen.

Das Beteiligungsrecht gilt selbstverständlich auch bei Kündigungen. Dies gilt bei allen Kündigungen: ordentliche oder außerordentliche Kündigung und natürlich auch im Fall einer Änderungskündigung.

Dabei muss die SBV auch zwingend dann beteiligt werden, wenn das Arbeitsverhältnis des Schwerbehinderten noch keine sechs Monate bestanden hat. In einem solchen Fall finden die Schutzbestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes sowie der sich aus den §§ 85 ff. SGB IX ergebende Sonderkündigungsschutz (vorherige Zustimmung des Integrationsamtes) keine Anwendung. Umso wichtiger ist in derartigen Fällen die Frage, ob eine ordnungsgemäße Beteiligung der SBV erfolgt ist. Die Beteiligungsrechte müssen natürlich auch in kleinen Betrieben beachtet werden, wobei klar ist, dass in diesen zumeist weder Betriebsrat noch SBV existieren.

Umfang der Beteiligung erweitert

Der vom Gesetzgeber eingeräumte Informationsanspruch soll dazu dienen, dass die SBV mit ihrer Stellungnahme noch Einfluss auf die Willensbildung des Arbeitgebers nehmen kann. Das setzt natürlich voraus, dass eine umfassende Information der SBV erfolgt ist.

Genau wie im Anhörungsverfahren des Betriebsrats bei Kündigungen geht es in der Praxis gar nicht darum, dass der Betriebsrat überhaupt nicht eingeschaltet wurde, sondern eine fehlerhafte Anhörung stattgefunden hat. Eine solche hat  – genau wie seit den Änderungen durch das BTHG eine fehlerhafte Beteiligung der SBV – die Folge, dass eine Kündigung unwirksam ist.

Da die ausdrückliche klassische Schriftform für entsprechende Mitteilungen der Arbeitgeber nicht vorgesehen ist, kann eine Information auch in elektronischer Form erfolgen. Hier sollte möglichst immer auf Originalschriftform bestanden werden. Darüber hinaus bietet es sich an, dass mit dem Arbeitgeber gerade auch zum Fristbeginn eine Vereinbarung erfolgt. Zum Beispiel kann für alle fristauslösenden Erklärungen der Arbeitgeber ein bestimmter Zeitpunkt vereinbart werden (zum Beispiel am Werktag bis 16 Uhr). Auch für die Übergabe kann etwas festgelegt werden (etwa persönlich an die Vertrauensperson oder im Vertretungsfall den Stellvertreter nicht jedoch den regulären Briefkasten der SBV).

Den zeitlichen Ablauf kennen

Die Einschaltung von Betriebsrat und SBV muss nicht zeitgleich erfolgen. Der Arbeitgeber kann auch zuerst eine Anhörung des Betriebsrats vornehmen und dann die SBV beteiligen. Genauso ist es umgekehrt möglich, dass die SBV zuerst eingeschaltet wird und daraufhin erst eine Betriebsratsanhörung durchgeführt wird. Im letzten Fall ist auch möglich, dass die Arbeitgeberseite nach der Beteiligung und vor der Anhörung des Betriebsrats einen entsprechenden Zustimmungsantrag beim Integrationsamt stellt.

Betriebsrat und SBV sollten alles tun, um zu gewährleisten, dass im Fall einer Erstinformation immer auch das andere Organ der Betriebsverfassung umgehend über die beabsichtigte Kündigung und die Begründung der Arbeitgeberseite informiert wird, um eine frühzeitige Beschäftigung mit dem Problemfall dem jeweiligen Organ zu ermöglichen. Das gilt gerade auch dann, wenn die Arbeitgeberseite eventuell aus ihrer Sicht wesentliche Informationen zur Kündigungsbegründung nachlegt oder später bekannt gewordene Umstände nur dem Betriebsrat oder der SBV mitteilt.

Im Übrigen muss die Unterrichtung unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Verzögern durch die Arbeitgeber erfolgen.

Mehr Tipps und wie die Anhörung und Frist im Einzelnen ausgestaltet sein müssen, lesen Sie in dem Beitrag Kündigung von Schwerbehinderten von Wolf-Dieter Rudolph in der aktuellen AiB-Ausgabe 6/2017, Seite 34-37.

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