Entgeltfortzahlung

Mindestlohn setzt Maßstab für Zuschläge

21. September 2017
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Quelle: kwarner_Dollarphotoclub

Auch an Feiertagen haben erkrankte Arbeitnehmer Anspruch auf Fortzahlung ihres Arbeitsentgelts. Einschließlich aller für den Feiertag fälligen Zuschläge. Seit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns muss der Arbeitgeber auch die tariflichen Zuschläge auf dessen Basis berechnen – so das BAG.

Entgeltfortzahlung und Mindestlohn

Die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen bestimmt sich - wenn kein höherer tariflicher oder vertraglicher Vergütungsanspruch besteht - nach § 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) in Verbindung mit § 1 Mindestlohngesetz (MiLoG). Sieht ein Tarifvertrag einen Nachtarbeitszuschlag vor, der auf den tatsächlichen Stundenverdienst zu zahlen ist, muss der Arbeitgeber auch den Zuschlag mindestens nach dem gesetzlichen Mindestlohn berechnen. Die Frage, ob und in welchem Umfang der Arbeitgeber bei Einführung des gesetzlichen Mindestlohns bisher »freiwillige« Leistungen verrechnen darf, führt regelmäßig zu Konflikten – auch bei tarifgebundenen Arbeitnehmern.

Arbeitgeber verrechnet Zuschläge mit Mindestlohn

Die Klägerin ist langjährig bei der Beklagten als Montagekraft beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft Nachwirkung der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Sächsischen Metall- und Elektroindustrie vom 24. Februar 2004 (MTV) Anwendung. Dieser sieht unter anderem einen Nachtarbeitszuschlag von 25 Prozent des tatsächlichen Stundenverdienstes und ein »Urlaubsentgelt« in Höhe des 1,5fachen durchschnittlichen Arbeitsverdienstes vor. Für den Monat Januar 2015 zahlte die Beklagte neben dem vertraglichen Stundenverdienst von 7,00 Euro bzw. 7,15 Euro eine »Zulage nach MiLoG«.

Klage auf Lohnnachzahlung

Die Vergütung für einen Feiertag und einen Urlaubstag berechnete sie ebenso wie den Nachtarbeitszuschlag für fünf Stunden nicht auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns, sondern nach der niedrigeren vertraglichen Stundenvergütung. Darüber hinaus rechnete sie ein gezahltes »Urlaubsgeld« auf Mindestlohnansprüche der Klägerin an. Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage eine Vergütung aller im Januar 2015 abgerechneten Arbeits-, Urlaubs- und Feiertagsstunden mit 8,50 Euro brutto und meint, auch der Nachtarbeitszuschlag sei auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns zu berechnen. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.

BAG: Mindestlohngesetz lässt keine Abweichung zu

Auch vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) blieb die Arbeitnehmerin erfolgreich. Zwar gewährt das MiLoG nur Ansprüche für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden. Nach § 2 Abs. 1 EFZG hat der Arbeitgeber aber für Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (Entgeltausfallprinzip). Dies gilt auch dann, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach dem MiLoG bestimmt; dieses enthält keine hiervon abweichenden Bestimmungen.

Arbeitgeber darf Urlaubsgeld nicht verrechnen

Ein Rückgriff des Arbeitgebers auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung scheidet aus. Der tarifliche Nachtarbeitszuschlag und das tarifliche Urlaubsentgelt müssen nach den Bestimmungen des MTV ebenfalls (mindestens) auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns von (damals) 8,50 Euro berechnet werden, da dieser Teil des »tatsächlichen Stundenverdienstes« im Sinne des MTV ist. Eine Anrechnung des gezahlten »Urlaubsgeldes« auf Ansprüche nach dem MiLoG kann nicht erfolgen, da der MTV hierauf einen eigenständigen Anspruch gibt und es sich nicht um Entgelt für geleistete Arbeit handelt.
2 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG)

lautet:

 

»Entgeltfortzahlung an Feiertagen

(1) Für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte.«  

§ 1 Mindestlohngesetz (MiLoG)

lautete (in der hier maßgeblichen Fassung) auszugsweise:

 

»Mindestlohn

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber. (2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Januar 2015 brutto 8,50 Euro je Zeitstunde. …«
© bund-verlag.de  (ck)  

Quelle

BAG (20.09.2017)
Aktenzeichen 10 AZR 171/16
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