Nur mit Martinshorn über die Ampel

22. September 2016
Dollarphotoclub_40022150_160503 Polizei Polizeiwagen
Quelle: © Sven Grundmann / Foto Dollar Club

Ein Polizist haftet für den Unfallschaden am Dienstfahrzeug, wenn er im Einsatz eine rote Ampel überfährt, ohne rechtzeitig das Blaulicht seines Dienstwagens und die als Martinshorn bekannte Sirene einzuschalten – so das Verwaltungsgericht Münster. Das Haftungsprivileg für Beamte greife nicht, weil der Beamte grob fahrlässig gehandelt habe, so das Gericht.

Land will Ersatz für Schaden am Dienstwagen

Der Kläger ist Polizeibeamter. Er war am 31.10.2014 im Rahmen eines Einsatzes mit dem Streifenwagen mit aktivierter Rundumbeleuchtung (»Blaulicht«), jedoch ohne Martinshorn, in eine Straßenkreuzung in Ahaus eingefahren, die zu diesem Zeitpunkt für seine Fahrtrichtung Rotlicht gezeigt hatte. Im Kreuzungsbereich war es sodann zur Kollision mit einem von links kommenden Fahrzeug gekommen, das ungebremst in die Fahrerseite des Polizeifahrzeugs gefahren war. Daraufhin forderte das beklagte Land den Kläger mit Leistungsbescheid vom 24.06.2015 auf, den durch den Verkehrsunfall entstandenen Schaden an dem Funkstreifenwagen in Höhe von 18.676,28 Euro zu ersetzen.

Haftungsprivileg greift nicht

Die hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht (VG) Münster ab. Im Urteil heißt es unter anderem: Der Kläger sei auch unter Berücksichtigung des gesetzlich vorgesehenen Haftungsprivilegs für Beamte zur Haftung heranzuziehen. Er habe den Unfall bei seinem Einsatz vom 31. Oktober 2014 grob fahrlässig verursacht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe sich der Kläger der Kreuzung mit leicht erhöhter Geschwindigkeit genähert. Die Lichtzeichenanlage an der Kreuzung habe für ihn Rot gezeigt. Er habe das Fahrzeug in Höhe oder kurz nach Überqueren der Haltlinie abgebremst und das Blaulicht eingeschaltet. Gleichfalls habe er versucht, das Signalhorn einzuschalten, dieses sei jedoch nicht ertönt. Er habe das Fahrzeug wieder beschleunigt. Dann sei das Polizeifahrzeug auf der Kreuzung von dem von links kommenden Fahrzeug erfasst worden.

Schwerer Verstoß gegen Sorgfaltspflicht

Selbst wenn man davon ausginge, dass das versehentliche Verfehlen des Einschaltknopfs für das Signalhorn im Wege eines Augenblicksversagens noch als (einfach) fahrlässig zu werten sein könnte, so stelle dieses Unterlassen in Verbindung mit dem verspäteten Einschalten des Blaulichts einen schweren Sorgfaltspflichtverstoß dar. Der Kläger hätte ohne weiteres erkennen können und müssen, dass er ohne Einschalten des Signalhorns und bei zu spätem Aktivieren des Blaulichts nicht in eine für ihn mit Rotlicht gesperrte Kreuzung hätte einfahren dürfen.

Sorgfaltspflicht auch bei Verfolgungsjagd

Der Maßstab für den Grad des Verschuldens könne insoweit nicht mit Rücksicht auf eine mögliche Stresssituation herabgesetzt werden. Der Kläger sei ein erfahrener Polizeibeamter, der zur Einschätzung und Bewältigung einer Verfolgungssituation in der Lage sein müsse. Beachte er in einer solchen Situation die Voraussetzungen für ein Einfahren in die Kreuzung bei Rotlicht nicht, so lasse er eine gesteigerte Risikobereitschaft erkennen, die angesichts des Ausmaßes möglicher Schäden den Vorwurf grober Fahrlässigkeit rechtfertige. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Von der Kavallerie-Trompete zum Einsatzhorn

Die Bezeichnung »Martinshorn« ist für das durchdringend laute Alarmsignal geläufiger als der technische Begriff »Folgentonhorn«. Das Martinshorn gehört zur Ausstattung der Einsatzfahrzeuge von Polizei, Feuerwehr, medizinischen und technischen Notdiensten. Zusammen mit dem Lichtsignal des Blaulichts warnt das Horn andere Verkehrsteilnehmer und weist sie an, den Einsatzfahrzeugen im Straßenverkehr freie Bahn zu gewähren. Der Name geht übrigens nicht auf den heiligen Martin zurück, sondern auf den ersten Hersteller: Die »Deutsche Signal-Instrumenten-Fabrik Max B. Martin« wurde 1880 im sächsischen Vogtland gegründet und produzierte Jagdhörner und Kavallerietrompeten, mit dem Aufkommen des Automobils später auch die bekannten Einsatzhörner.

Quelle:

VG Münster, Urteil vom 5.09.2016 Aktenzeichen 4 K 1534/15 VG Münster, Pressemitteilung vom 15.09.2016 © bund-verlag.de (ck)

Lesetipp:

»Ständige Erreichbarkeit und Unfallversicherung« von Robert Nazarek in »Der Personalrat« 7-8/2016, S. 28 – 31.
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