Personalabbau ist keine Geheimsache
Während im Unternehmen noch ein besonderes Motivationsprogramm lief, hat die Arbeitgeberin, ein Unternehmen aus der Pharmaindustrie, den Betriebsrat über einen beabsichtigten Stellenabbau im Außendienst im Umfang von annähernd 300 Stellen informiert und zu Interessenausgleichsverhandlungen aufgefordert.
Gleichzeitig erklärte die Arbeitgeberin, dass es sich bei den Informationen um streng vertrauliche Geschäftsgeheimnisse handele. Jedes Betriebsratsmitglied werde persönlich, straf- und haftungsrechtlich verantwortlich gemacht. Der Betriebsrat empfand dies als Behinderung seiner Betriebsratsarbeit und begehrte bei Gericht die Feststellung, dass der mitgeteilte Stellenabbau kein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis sei.
Gerichtstermin macht die Abbaupläne öffentlich
Als die geplante Maßnahme in der Presse und in der öffentlichen Sitzung des Arbeitsgerichts bekannt wurde, informierte die Arbeitgeberin die Belegschaft umgehend. Die Interessenausgleichsverhandlungen sind zwischenzeitlich gescheitert, die Maßnahme wird umgesetzt.
Die Arbeitgeberin begründet die ursprünglich verlangte Geheimhaltung in dem weitergeführten Gerichtsverfahren mit einem erheblichen Wettbewerbsnachteil durch die vorzeitige Information der Konkurrenz und mit potentiellen Motivationsverlusten seiner Arbeitnehmer.
Der Betriebsrat verweist dagegen auf das erhöhte Informationsinteresse der betroffenen Mitarbeiter, deren Interessen er bei den Verhandlungen zu ermitteln und wahrzunehmen habe.
Der Betriebsrat hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Erfolg. Der ursprünglich geplante und mittlerweile vollzogene Personalabbau ist kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis im Sinne des Verschwiegenheitsgebots nach § 79 BetrVG.
Zwar kann eine wirtschaftliche Tatsache ein Geschäftsgeheimnis darstellen, der Arbeitgeber muss aber ein sachliches und objektiv berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung haben. Dies ist hier nicht der Fall, auch nicht bis zum Abschluss der Interessenausgleichsverhandlungen.
Der Betriebsrat kann seine Rechte nur bei Informations- und Meinungsaustausch mit der Belegschaft sachgerecht wahrnehmen. Das allgemeine Geheimhaltungsinteresse der Arbeitgeberin gegenüber der Konkurrenz entspricht dem globalen Interesse jedes im Wettbewerb befindlichen Arbeitgebers.
Dieses reicht angesichts der Notwendigkeit zur Kommunikation zwischen Betriebsrat und Belegschaft über den geplanten Personalabbau nicht aus. Aus dem gleichen Grund muss ein Arbeitgeber die mit einem geplanten Personalabbau einhergehende Unruhe hinnehmen.
Der Beschluss ist rechtskräftig geworden. Die zugelassene Rechtsbeschwerde wurde nicht eingelegt.
Quelle:
LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20.05.2015
Aktenzeichen 3 TaBV 35/14
LAG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung Nr. 7/2015 vom 23.09.2015
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