Kündigung

Teil-Namensliste im Interessenausgleich

25. Juni 2015

Für eine Namensliste in einem Interessenausgleich gelten strenge Anforderungen, weil sie die Rechte der Gekündigten einschränkt. Das LAG Niedersachsen hat jetzt erstmals eine Namensliste zugelassen, die nur einen Teil der Belegschaft abdeckt – eine kontroverse Entscheidung.

Der 1961 geborene Kläger ist seit 1978 bei seiner Arbeitgeberin beschäftigt. Er ist gelernter Energieanlagenelektroniker und schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60 Prozent. Seit 2012 arbeitet er als Sachbearbeiter im Bereich »elektronische Instandhaltung«.

Seine Arbeitgeberin beschäftigt in ihrem Betrieb ca. 1000 Arbeitnehmer. Es besteht ein Betriebsrat. Am 18.07.2013 schloss sie mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich zum Abbau von rund 170 Arbeitsplätzen, insbesondere in der Produktion.

Interessenausgleich listet Gekündigte nur zum Teil auf

Der Interessenausgleich enthielt in Anlage 1 eine Liste mit Vergleichsgruppen, unter anderem die Gruppen »elektrische Instandhaltung« und »Einzelposition«. Der Kläger wurde wegen seiner Stellenbeschreibung als einziger Mitarbeiter in die Gruppe »Einzelposition« eingruppiert.

Anlage 2 des Interessenausgleichs bestand in einer von den Betriebspartnern und der tariflichen Schlichtungsstelle abgezeichneten Namensliste von 129 Mitarbeitern in der Produktion. Der Interessenausgleich sah weiter den Wegfall von 12 Stellen im Bereich »Zentralfunktionen« vor.

Dazu heißt es im Interessenausgleich wörtlich: »In dieser Namensliste sind Entlassungen die im Bereich NESD Zentralfunktion betreffen (s. 3.3), nicht enthalten. Diese Entlassungen (12) sollen soweit als möglich über Auflösungsvereinbarungen erfolgen. Insoweit soll die Namensliste auch künftig nicht ergänzt werden«.

Kündigung wurde in erster Instanz aufgehoben

Mit Schreiben vom 14.01.2014 sprach die Arbeitgeberin nach Anhörung des Betriebsrats und mit Zustimmung des Integrationsamts eine ordentliche Kündigung zum 31.08.2014 aus. Von den namentlich in der Liste aufgeführten Mitarbeitern wurden elf nicht gekündigt. Alle nicht entlassenen Arbeitnehmer entstammen anderen Vergleichsgruppen.

Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage und beantragte hilfsweise, die Arbeitgeberin zur Wiedereinstellung zu verpflichten. die Sozialauswahl sei grob fehlerhaft gewesen. Zudem seien in seinem Bereich »Zentralfunktionen« ausdrücklich keine betriebsbedingten Kündigungen vorgesehen.

Das Arbeitsgericht Hameln gab der Kündigungsschutzklage statt und verurteilte die Arbeitgeberin, den Kläger weiter zu beschäftigen. Das ArbG begründete sein Urteil damit, die Namensliste im Interessenausgleich, die sich nur auf einen Teil der Belegschaft bezogen habe, löse nicht die Vermutung nach § 1 Abs. 5 KSchG aus, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt gewesen sei. Dagegen legte die Arbeitgeberin Berufung ein.

Landesarbeitsgericht sieht besonderen Ausnahmefall

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen wies in zweiter Instanz die Kündigungsschutzklage ab. Die Kündigung zum 31.08.2014 sei unter jedem Gesichtspunkt wirksam.

Die angegriffene Liste erfülle die Voraussetzungen einer Namensliste für betriebsbedingte Kündigungen im Sinne von § 1 Abs. 5 KSchG, wie sie die Betriebspartner im Rahmen eines Interessenausgleichs vereinbaren können.

Die Frage, ob auch eine Teil-Namensliste, die nicht die Auswahl von Gekündigten aus der gesamte Belegschaft abdeckt, die Vermutungswirkung nach § 1 Abs. 5 KSchG auslösen kann, sei vom Bundesarbeitsgericht noch nicht entschieden worden.

Die 5. Kammer des LAG Niedersachsen bejaht diese Frage. Zwar sei eine Teil-Namensliste nicht generell eine taugliche Grundlage für § 1 Abs. 5 KSchG, wohl allerdings in einer »eng umgrenzten Fallkonstellation«:

Deutliche Abgrenzung möglich

Eine Teil-Namensliste genüge den Anforderungen, wenn der Bereich, für den keine Namensliste vereinbart wurde, so deutlich abgrenzbar sei, dass keine Möglichkeit bestehe, die Sozialauswahl des einen Bereichs könne die Sozialauswahl des anderen Bereichs in irgendeiner Form beeinflussen.

Zudem müsse der Bereich des Betriebs, den die Namensliste abdeckt, wesentlich größer sein als der nicht abgedeckte Bereich, so dass das Interesse der Betriebspartner, Rechtsklarheit zu schaffen, »gegenüber dem nicht durch Namensliste hervorgehobenen Bereich hervorgehoben« werde. 

Alle diese Voraussetzungen seien erfüllt, daher sei die Kündigung wirksam.
Mit Rücksicht auf die bisher offene Rechtslage hat das LAG allerdings die Revision zum BAG ausdrücklich zugelassen.

Quelle:
LAG Niedersachsen, Urteil vom 7.05.2015
Aktenzeichen 5 Sa 1321/14
© bund-verlag.de (ck)

Hinweis der Redaktion

Die Revision ist eingelegt und unter dem Aktenzeichen 2 AZR 306/15 beim BAG anhängig.

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