Grundsicherung

Verkauf des Eigenheims im Trennungsjahr unzumutbar

27. Juni 2017
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Quelle: © bluedesign / Foto Dollar Club

Die Scheidung hat oft einschneidende Folgen. Insbesondere, wenn einer oder beide Ehegatten anschließend auf die Grundsicherung (Hartz IV) angewiesen sind. Allerdings kann das Jobcenter nicht verlangen, dass getrennt lebende Paare schon vorher ihr Eigenheim verwerten. Es stelle eine besondere Härte dar, wenn Ehegatten ihr Haus schon verkaufen müßten, bevor sicher sei, ob die Trennung endgültig ist. Darin besteht aber gerade der Zweck des Trennungsjahres  - so das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen.

Auszug nach Trennung

Zugrunde lag der Fall einer Klägerin (geb. 1951) aus Leer, die gemeinsam mit ihrem Ehemann (geb. 1941) ein 98 m2 großes Reihenhaus bewohnte. Ihr Mann bezog eine kleine Altersrente, sie selbst hatte einen Minijob als Reinigungskraft und erhielt aufstockende Grundsicherungsleistungen durch den Landkreis Leer.

Landkreis verlangt Verkauf des Eigenheims

Nachdem sie dem Landkreis ihren beabsichtigten Auszug und die Trennung von ihrem Ehemann mitgeteilt hatte, übernahm dieser die Kosten für eine Mietwohnung. Der Landkreis gewährte ihr die Grundsicherungsleistungen wurden jedoch nur als Darlehen. Das Hausgrundstück müsse als verwertbares Vermögen vorrangig für den Lebensunterhalt genutzt werden.

Versöhnung nach Trennungsphase

Demgegenüber vertrat die Klägerin die Auffassung, dass eine Verwertung unzumutbar sei. Denn solange es ungewiss sei, ob die Ehe endgültig zerrüttet sei und die Trennung dauerhaft sei, müsse das Haus noch als Familienheim gelten. Sie habe sich inzwischen mit  ihrem Ehemann auch wieder versöhnt und wohne im gemeinsamen Haus.

Keine Verwertungspflicht im Trennungsjahr

Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass während des Trennungsjahres eine Verwertungspflicht im Regelfall nicht besteht. Zwar unterfalle ein Hausgrundstück nach dem Auszug nicht mehr dem Schutzbereich der Selbstnutzung, jedoch stelle eine Verwertung eine besondere Härte dar. Dies ergebe sich aus bürgerlich rechtlichen Wertungen, denn eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres sei nur im Ausnahmefall möglich.

LSG stellt auf Zweck des Trennungsjahres ab

Das Trennungsjahr solle die Eheleute vor übereilten Scheidungsentschlüssen bewahren, die aus bloß vorübergehenden Stimmungslagen und Krisensituationen resultierten. Diese Wertung des Gesetzgebers würde konterkariert werden, wenn durch eine Verwertung die Erwartung gegenüber dem anderen Ehegatten entstünde, die Wohnung ebenfalls als Lebensmittelpunkt aufzugeben. Damit wäre der ehelichen Lebensgemeinschaft bereits vor Ablauf des Trennungsjahres die Grundlage entzogen. Zugleich hat das LSG betont, dass dieser besondere Schutz nach Ablauf des Trennungsjahres nicht mehr gilt. Wie das LSG mitteilt, handelt es sich um die erste obergerichtliche Entscheidung in dieser Frage.

© bund-verlag.de (ck)

 
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