Wahlanfechtung

Wann eine Wahl anfechtbar oder nichtig ist

28. August 2017
betriebsratswahl
Quelle: Eva Kahlmann_Dollarphotoclub

Mit der Frage, wann eine Betriebsratswahl anfechtbar oder gar nichtig ist, hat sich das ArbG Düsseldorf befasst. Im zu entscheidenden Fall enthielt das Wahlausschreiben widersprüchliche Angaben zur Mitgliederzahl des Betriebsrats. Zudem wurde für alle Arbeitnehmer die Briefwahl angeordnet und ein Wahltermin zur persönlichen Stimmabgabe festgelegt.

Bei der Wahl läuft alles schief

In einem Unternehmen der Sicherheitsbranche mit 60 Beschäftigten soll erstmals ein Betriebsrat gewählt werden. Drei Mitarbeiter und die Gewerkschaft ver.di laden zu einer Wahlversammlung und zur Wahl des Wahlvorstandes am 24.02.2016 ein. An diesem Tag wird eine Bewerberliste aufgestellt. Der Wahltermin wird auf den 04.03.2016 angesetzt.

Die Wahlunterlagen werden den Beschäftigten vom Wahlvorstand direkt ausgehändigt. Sie hatten die Möglichkeit, die Stimmzettel sofort auszufüllen. Der Wahlvorstand hat diese mitgenommen. Während der Auszählung der Stimmen hat der Arbeitgeber den Raum wegen eines Telefonates verlassen. Das Wahlergebnis wurde abfotografiert. Das Foto wurde an die Mitarbeiter, deren Handynummer bekannt war, per Mobiltelefon übermittelt.

Strittig ist, ob eine Einigung zwischen dem Wahlvorstand und dem Arbeitgeber auf ein vereinfachtes Wahlverfahren nach § 14 a Absätze 1 bis 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) erfolgte. Am 16.08.2016 beantraqte der Arbeitgeber, die Nichtigkeit der Wahl festzustellen.

Wahl ist nicht nichtig, sondern anfechtbar

Dem folgte das Arbeitsgericht nicht, sondern erklärte die Wahl nur für unwirksam. Dieser Unterschied ist für die Praxis von Bedeutung: Nur die wenigsten Betriebsratswahlen sind nichtig. Für die Interessenvertretung de Beschäftigten ist eine anfechtbare Wahl besser als gar keine. Denn bei der Anfechtung sind die Beschlüsse des gewählten Betriebsrats wirksam, bis rechtskräftigen die Anfechtung der Wahl entschieden wurde.

Echte Nichtigkeit ist die Ausnahme

Die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl ist gesetzlich nicht geregelt. Dazu kommt es nur, wenn grobe und offensichtliche Verstöße gegen wesentliche Grundsätze des Wahlrechtes vorliegen. Der Mangel muss offenkundig sein, so dass ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl nicht besteht. Die Wahl muss »den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen«, so das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinen Beschlüssen (BAG v. 17.01.1978 - 1 ABR 71/76, BAG v. 19.11.2003 - 7 ABR 25/03). Nur wenn ein Dritter, der die betrieblichen Verhältnisse kennt, erkennt, dass der Wahl selbst der Anschein einer Wahl nach dem Gesetz fehlt, ist dies der Fall. Die Prüfung erfolgt durch eine Gesamtwürdigung und nicht durch eine Addition von Fehlern.

Dies war hier nicht der Fall. Selbst wenn es keine Einigung auf ein vereinfachtes Wahlverfahren gegeben hat, führt dies nicht zur Nichtigkeit der Wahl. Nur bei deutlich mehr als 100 Beschäftigten wäre dies der Fall gewesen.

Eine Beeinflussung der Wähler kann zur Nichtigkeit der Wahl führen. Die Wahl muss frei und geheim erfolgen. Der Vorschlag, einzelnen Kandidaten die Stimme zu geben oder den Stimmzettel nach Wunsch auszufüllen, hat nicht diese Folge, denn dadurch wurde nicht die Wahlentscheidung der Belegschaft beeinflusst. Die Stimmauszählung muss öffentlich erfolgen. Ist dem Arbeitgeber während dieser Zeit ein Telefonat wichtiger, so führt dies ebenfalls nicht zur Nichtigkeit der Wahl. Denn der Arbeitgeber ist nicht »die Öffentlichkeit«, vor der die Stimmauszählung stattfinden muss.

Wahl ist nicht nichtig, sondern anfechtbar

Anfechtbar wurde die Wahl durch die Verstöße gegen die Wahlordnung (WO) im Wahlausschreiben und im Wahlverfahren.

Erheblicher ist, dass das Wahlergebnis nicht, wie in der Wahlordnung (WO) vorgeschrieben, ausgehängt wurde (§ 18 Abs. 1 WO). Die Mitteilung des Wahlergebnisses nur an die Beschäftigten deren Handynummer bekannt ist, stellt keine Bekanntgabe des Wahlergebnisses dar. Diese muss durch tatsächlichen schriftlichen Aushang des Wahlvorstands erfolgen.

Die Wahl erfolge nicht eine Woche nach der Wahlversammlung, sondern zwei Tage später. Das ist gesetzeswidrig (§ 14a Abs. 1 S. 4 BetrVG). Es wurde generell Briefwahl angeordnet. Auch das ist ein Verstoß gegen die Wahlordnung (§ 31 Abs. 1 S. 3 Nr. 13 WO i.V.m. § 24 Abs. 1 S. 1 WO).

Im Wahlausschreiben war nicht eindeutig erkennbar, ob 3 oder 5 Betriebsratsmitglieder zu wählen waren, ein Verstoß gegen § 31 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 WO. Sämtliche Fehler waren geeignet, sich auf das Ergebnis der Wahl auszuwirken. Dies ist eine weitere Voraussetzung für eine erfolgreiche Wahlanfechtung (§ 19 Absatz 1 BetrVG). Das Gericht hat daher der Anfechtung stattgegeben und die Unwirksamkeit der Wahl festgestellt.

Praxistipp von Margit Körlings, DGB Rechtsschutz GmbH:

Letztes Mittel Rücktritt

Die Wahlvorschriften für die Betriebsratswahl sind leider kompliziert gefasst. Eine diesen Vorschriften entsprechende Wahl ist selten. Aber bevor überhaupt kein Betriebsrat zustande kommt, besser eine anfechtbare Wahl, als gar keine.

Übergangsmandat sichern

Im Zweifel sollte der Betriebsrat zurücktreten (§ 13 Abs. 2 BetrVG) und ein neues Wahlverfahren einleiten. Bis zur Neuwahl bleibt der gewählte Betriebsrat, dessen Wahl angefochten wurde, trotz Rücktritt im Amt (§ 22 BetrVG). Das bedeutet, sämtliche Beschlüsse sind wirksam. Nur die echte Nichtigkeit einer Wahl wird rückwirkend von Anfang an (lateinisch ex tunc) festgestellt führt zur Unwirksamkeit der Beschlüsse.

Lesetipp:

»Wahlbehinderungen sind kein Einzelfall« von Behrens/Dribbusch in »Arbeitsrecht im Betrieb« 1/2017, S. 14-16.

 
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