Urlaub

BAG: Urlaubsanspruch auch nach Kündigung

16. August 2019
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Quelle: © kosmos111 / Foto Dollar Club

Auch nach einer Kündigung muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Urlaub nehmen kann. Der Urlaub verfällt auch nach einem jahrelangen Kündigungsschutzprozess erst, wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungspflicht erfüllt – so das BAG.

Zwischen einer Kündigung und dem tatsächlichen Ende des Arbeitsverhältnisses kann viel Zeit vergehen, wenn eine Kündigungsschutzklage anhängig ist. Auch in diesem Zeitraum müssen beide Seiten ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis erfüllen. Das BAG hat kürzlich entschieden, dass dies auch für die Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers beim Urlaub gilt.

Darum geht es:

Arbeitgeber und Arbeitnehmer streiten um die Abgeltung des Jahresurlaubs 2013. Der Kläger war seit 2009 als außertariflicher Mitarbeiter bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Sein Arbeitsvertrag regelt, dass der ihm zustehende Urlaub im Kalenderjahr zu nehmen ist. Der Urlaub konnte laut Vertrag nur »aus dringenden betrieblichen Gründen« oder wegen Krankheit des Arbeitnehmers in das erste Quartal des Folgejahres übertragen werden.

Im Februar 2011 sprach der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aus. Dagegen wehrte sich der Arbeitnehmer erfolgreich mit einer Kündigungsschutzklage. Er gewann vor dem Landesarbeitsgericht München (LAG München 14.11.2013 – 4 Sa 518/12).

Der Arbeitnehmer beantragte im Februar 2014, ihm den Urlaub für 2013 nachträglich bis Ende März 2014 zu gewähren. Dies verweigerte sein Vorgesetzter wegen des noch laufenden Kündigungsrechtsstreits. Nachdem das Urteil des LAG München rechtskräftig geworden war, beantragte der Kläger den Urlaub für 2013 erneut im Dezember 2014 und Februar 2015. Sein Arbeitgeber antwortete, der Urlaubsanspruch sei am 31.12.2013 verfallen.

Der Arbeitnehmer erhob im März 2015 erneut Klage auf Gewährung oder Abgeltung des Jahresurlaubs 2013. Er machte geltend, der Arbeitgeber müsse ihm den Urlaub von sich aus gewähren, zumal er diesen schon im Februar 2014 beantragt hatte. Der Arbeitgeber habe seine Mitwirkungspflichten nicht erfüllt. Arbeitsgericht und LAG wiesen die Klage ab.

Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers beim Urlaub

Im Jahr 2018 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erst dann verfällt, wenn der Arbeitgeber konkret und transparent dafür gesorgt hat, dass der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Jahresurlaub tatsächlich nehmen kann (EuGH 6.11.2018 -  Rs. C-684/16). Die Verfallsregel in § 7 BUrlG ist europarechtskonform auszulegen. Das BAG legt § 7 BUrlG jetzt so aus, dass den Arbeitgeber eine Mitwirkungspflicht trifft. Anstatt wie bisher auf einen konkreten Urlaubsantrag des Arbeitnehmers zu warten, muss der Arbeitgeber nun die Initiative ergreifen. Er muss:

  • den Arbeitnehmer dazu auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und
  • ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub verfällt, wenn er ihn nicht bis zum Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums nimmt.

Das sagt das BAG:

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht. Sein Anspruch auf den Jahresurlaub 2013 von 30 Tagen ist nicht verfallen, befanden die Richter.

Im Anschluss an die Entscheidung des EuGH entschieden die Richter, dass die Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers beim Verwirklichen des Urlaubsanspruchs auch fortbesteht, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung ausgesprochen hat.

Die Ungewissheit über das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses, bis ein rechtskräftiges Urteil über die Kündigung vorliegt, darf dem nicht entgegenstehen.

Mit der Kündigung stellt der Arbeitgeber den Bestand des Arbeitsverhältnisses in Abrede. Dann gebietet seine Mitwirkungspflicht beim Urlaub eine Erklärung, dass er bereit ist, dem Arbeitnehmer auch im gekündigten Arbeitsverhältnis vorbehaltlos bezahlten Urlaub zu gewähren.

Hinweis für die Praxis

Das BAG schafft hier Klarheit für den Fall, dass der Arbeitnehmer während Dauer seines Kündigungsschutzprozess weiter im Betrieb arbeitet. Es ist nicht selten, dass ein solches Gerichtsverfahren deutlich länger dauert als das Urlaubsjahr und dessen Folgejahr. Auch in diesem Zeitraum muss der Arbeitgeber den Urlaub gewähren, der dem Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsverhältnisses zusteht.

Die Mitwirkungspflicht geht nach Ansicht des BAG (Rn. 56 des Urteils) so weit, dass der Arbeitgeber ausdrücklich erklären muss, dass er den bezahlten Urlaub vorbehaltlos gewährt – auch wenn beide Seiten zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen, wie der Kündigungsschutzprozess ausgeht. Dies erfordert nach Auffassung des Gerichts:

- eine entsprechende Freistellungserklärung des Arbeitgebers und

- dass der Arbeitgeber das Urlaubsentgelt entweder vor Antritt des Urlaubs zahlt oder eine bindende Zahlungszusage abgibt.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

BAG (19.02.2019)
Aktenzeichen 9 AZR 321/16
Jürgen Ulber, u.a.
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