Freistellungsanspruch

Leiharbeitnehmer zählen für Freistellung mit

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Quelle: © Gina Sanders / Foto Dollar Club

Der Freistellungsanspruch des Betriebsrats richtet sich nach der Größe des Betriebs. Dabei sind Leiharbeitnehmer mitzuzählen. Für das Berechnen ist der regelmäßige Personalbestand des Betriebs entscheidend.

In diesem Verfahren stritten Betriebsrat und Arbeitgeber um die Frage, wie viele Betriebsratsmitglieder freizustellen waren. Der Freistellungsanspruch besteht nach § 38 BetrVG und ist abhängig von der Zahl der Arbeitnehmer im Betrieb.

Der Arbeitgeber beschäftigte in einem seiner Betriebe neben der Stammbelegschaft mit regulärem Arbeitsvertrag auch rund 150 Leiharbeitnehmer.

Arbeitgeber verweigerte weitere Freistellung

Ein Betriebsratsmitglied war zur Betriebsratsarbeit komplett von der Arbeit freigestellt. Die vom Betriebsrat verlangte Freistellung eines zweiten Betriebsratsmitglieds lehnte der Arbeitgeber ab. Das BAG hat wie auch schon das LAG dem Betriebsrat Recht gegeben und entschieden, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, ein weiteres Betriebsratsmitglied von der Arbeitsleistung freizustellen. Unter Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer waren im Betrieb mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt. Gemäß der Staffelung in § 38 Abs. 1 BetrVG bedeutete dies einen Freistellungsanspruch für zwei Betriebsratsmitglieder.

Regelmäßiger Personalbestand entscheidend

Die Leiharbeiter sind bei der Zahl der Arbeitnehmer dann zu berücksichtigen, wenn sie zu dem regelmäßigen Personalbestand des Betriebs zählen.

Das BAG hatte bereits mit Beschluss vom 18.1.2017 (BAG 18.1.2017 - 7 ABR 60/15) in gleicher Weise entschieden. Neu war eine Gesetzesanpassung zum 1.4.2017. Der Gesetzgeber hat § 14 Abs. 2 Satz 4 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) dahingehend geändert, dass Leiharbeitnehmer (mit Ausnahme des § 112a BetrVG) stets zu berücksichtigen sind, wenn es nach dem BetrVG auf die Anzahl der Beschäftigten im Betrieb ankommt.

Diese neue Gesetzeslage war in der hiesigen Entscheidung zu berücksichtigen. Zwar hatte der Rechtsstreit schon vor der Gesetzesänderung begonnen. Der Betriebsrat verlangte aber die Freistellung nicht rückwirkend, sondern für die Zukunft. Bei der Entscheidung des Rechtsstreits kam es daher auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung – also August 2017 - an.

Neuregelung bestätigt Rechtsprechung

Da das BAG bereits vor der Gesetzesänderung für die Mitberücksichtigung der Leiharbeitnehmer beim Personalbestand entschieden hatte, änderte sich hieran auch nichts durch das Inkrafttreten der Neuregelung. Die Frage, ob Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind, ist spätestens seit dieser Entscheidung und der seit dem 1.4.2017 geltenden Regelung des AÜG abschließend geklärt.

Um zu verhindern, dass Leiharbeitnehmer beim Personalbestand berücksichtigt werden, muss der Arbeitgeber nun darlegen, dass seine Beschäftigung nur kurzfristig erfolgt und nicht auf Dauer angelegt ist.

Hier hatte der Arbeitgeber zwar in diese Richtung argumentiert, die Beschäftigung der 150 Leiharbeitnehmer erfolgte aber bereits seit Jahren. Der Arbeitgeber konnte auch nicht nachvollziehbar darlegen, dass ihre Zahl in absehbarer Zukunft sinken werde. Diesbezügliche Einwände hatten die Gerichte daher verworfen.

Praxishinweis

Zur Ermittlung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl ist nicht nur der Personalbestand in der Vergangenheit zugrunde zu legen, sondern auch die künftige zu erwartende Entwicklung des Beschäftigtenstands einzubeziehen, wenn sie unmittelbar bevorsteht.

Künftige Veränderungen der Arbeitnehmerzahl, die nicht unmittelbar bevorstehen, können allenfalls eine spätere Anpassung der Zahl der Freizustellenden bedingen.

Die Feststellung der maßgeblichen Betriebsgröße erfordert daher sowohl eine rückblickende Betrachtung, für die ein Zeitraum zwischen sechs Monaten bis zwei Jahren als angemessen erachtet wird, als auch eine Prognose, bei der konkrete Veränderungsentscheidungen zu berücksichtigen sind. Werden Arbeitnehmer nicht ständig, sondern lediglich zeitweilig beschäftigt, kommt es für die Frage der regelmäßigen Beschäftigung darauf an, ob sie normalerweise während des größten Teils eines Jahres, das heißt, länger als sechs Monate, beschäftigt werden.

Leiharbeitnehmer für Schwellenwerte wichtig

Auch bei weiteren rechtlichen Auseinandersetzungen kommt es auf die Frage an, ob Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind oder nicht. So derzeit im Bereich der Massenentlassung nach § 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Die Frage, ob Leiharbeitnehmer hinsichtlich der Schwellenwerte zu zählen sind, ist noch nicht abschließend geklärt. Das BAG hat eine entsprechende Frage zur Auslegung der europäischen Richtlinie RL 98/59/EG gerade am 16.11.2017 dem EuGH vorgelegt.Matthias Beckmann, DGB Rechtsschutz GmbH

Lesetipp:

www.bund-verlag.de > Betriebsrat > Betriebsratsorganisation > 4. Wie sieht es mit der Freistellung aus?

Quelle

BAG (02.08.2017)
Aktenzeichen 7 ABR 51/15
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für Betriebsräte vom 6.12.2017.

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