Arbeitsentgelt

Zuschläge auch für freigestellten Betriebsrat

06. November 2019
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Quelle: magele_Dollarphotoclub

Das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern darf sich durch die Freistellung nicht verringern. Ihnen stehen auch die Zuschläge für Nachtarbeit zu, wenn sie ohne die Freistellung entsprechend gearbeitet hätten. Das gesetzliche Begünstigungsverbot steht dem nicht entgegen. Von Bettina Krämer.

Darum geht es:

Ein Arbeitnehmer, der schon mehr als 20 Jahre im Betrieb war, wurde als Betriebsratsvorsitzender voll freigestellt. Zuvor hatte er im Vier-Schicht-System gearbeitet und dabei auch Schichtzulagen erhalten. Nach seiner Freistellung arbeitet er zumeist tagsüber, weil zu dieser Zeit die meisten Arbeitnehmer anwesend waren. Er vereinbarte mit seiner Arbeitgeberin: 

»Herr X erhält wegen dem Wegfall von Zeit-, Erschwernis- und sonstigen Zuschlägen zur Absicherung seines bisherigen Entgelts einen monatlichen Zuschlag in Höhe von 1.191,91 €.«

Einige Monate danach teilte ihm die Arbeitgeberin mit, sie würde ihm nur noch ca. 200 Euro Zuschläge zahlen. Die Arbeitgeberin begründete dies damit, dass sie Betriebsratsmitglieder wegen ihres Ehrenamts nicht besser bezahlen dürfe als andere Arbeitnehmer. Dabei bezog sie sich auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 18.05.2016 - 7 AZR 401/14).

Dies nahm der Arbeitnehmer nicht hin und klagte mit Hilfe des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes.

Das sagt das Gericht

Das Arbeitsgericht (ArbG) Dresden gab dem Betriebsratsvorsitzenden Recht und verurteilte die Arbeitgeberin zur restlichen Bezahlung. Die noch nicht gezahlte Differenz zwischen den Zuschlägen für sieben Monate  belief sich auf rund 7.500 Euro zuzüglich Zinsen.

Betriebsratsmitglieder dürfen wegen ihres Ehrenamts zwar nicht bevorzugt werden, aber auch keine Nachteile erleiden (§ 37 Abs. 1 BetrVG, § 78 Satz 2 BetrVG). Daher darf sich das Gehalt von Betriebsratsmitgliedern durch die Betriebsratstätigkeit nicht verringern. Auch die freigestellten Betriebsratsmitglieder haben Anspruch darauf, die Gehaltserhöhung vergleichbarer Arbeitnehmer im Betrieb mit nachzuvollziehen (§ 37 Abs. 4 BetrVG). Das heißt, der Arbeitgeber darf das Gehalt nicht über Jahre einfrieren.

Im vorliegenden Fall hätte der Arbeitnehmer im Vier- Schicht- System gearbeitet, also auch die Zulagen hierfür erhalten. Daher muss die Arbeitgeberin ihm diese auch während der Freistellung bezahlen. Die Richter waren der Ansicht, dass die mit der Arbeitgeberin getroffene Vereinbarung genau das regelt, dem freigestellten Arbeitnehmer aber keine unberechtigten Vorteile schafft.

BAG-Urteil von 2016 nicht anwendbar

Das von der Arbeitgeberin angeführte BAG-Urteil war nach Ansicht des ArbG Dresden auf diese Situation nicht anwendbar. In dem vom BAG entschiedenen Fall  hatte das Betriebsratsmitglied zuerst in Nachtschichten gearbeitet, dann aber mit seinem Arbeitgeber vereinbart, keine Nachtarbeit mehr verrichten zu müssen. In diesem Fall kam das BAG zu dem Schluss, dass dem Betriebsratsmitglied dann auch bei einer Freistellung keine Nachtzuschläge mehr zustehen.

Diese Konstellation war aber ein Sonderfall. Das BAG hatte in dieser Entscheidung darauf hingewiesen, dass vollständig freigestellte Betriebsratsmitglieder auch dann Anspruch auf Nachtarbeitszuschläge haben, wenn sie ohne ihre Freistellung Nachtarbeit zu leisten hätten. In Anlehnung an diese Rechtsprechung des BAG hat das Arbeitsgericht Dresden den Anspruch auch konsequent bejaht.

Hinweis für die Praxis

Im Gesetz ist das Verbot der Schlechterstellung eines Betriebsratsmitgliedes verankert (§ 78 Satz 2 BetrVG), besonders beim Arbeitsentgelt (§ 37 Abs. 4 BetrVG). Es sollte für Arbeitgeber eigentlich zum »guten Ton« gehören, einen Betriebsrat nicht deswegen schlechter zu bezahlen, weil er das Amt oder eine Freistellung übernommen hat.

Genau dies ist aber in der Praxis oft ein Problem, gerade bei lang freigestellten Betriebsratsmitgliedern, die ihr Amt über Jahre oder Jahrzehnte ausüben. Die betriebsübliche Bezahlung und das Nachvollziehen von Gehaltssteigerungen ist ein schwieriges Thema. Vor allem, wenn sich der Arbeitgeber hinter dem Verbot der Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern verstecken will. Daher lohnt sich in diesem Fall immer auch rechtlicher Rat und Unterstützung. Betriebsratsmitglieder sollten sich nicht scheuen, auch für sich selbst eine faire Gehaltsentwicklung durchzusetzen.

Bettina Krämer LL.M., DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

ArbG Dresden (27.02.2019)
Aktenzeichen 13 Ca 2259/18
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 6.11.2019.
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