Arbeitszeit

Fragen zu Mehrarbeit und Überstunden

30. Mai 2022 Überstunden
Ueberstunden
Quelle: pixabay

Die Mehrzahl aller Beschäftigten leistet regelmäßig Überstunden. Gesund ist das nicht. Müdigkeit, psychische Störungen, Rückenleiden und Schlafprobleme sind nur einige Beschwerden, die auftreten können. Wie weit darf der Arbeitgeber gehen? Antworten auf 7 Fragen gibt es in »Betriebsrat und Mitbestimmung« 6/2022.

1. Kann der Arbeitgeber einfach Überstunden anordnen?

Nein. Zwar kann der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts (§ 106 Gewerbeordnung) vielfältige Anweisungen zur Art der Arbeitsausführung geben. Überstunden allerdings kann er nicht ohne weiteres anordnen. Dafür benötigt er eine eigene Rechtsgrundlage. Vielfach findet sich diese in den Arbeitsverträgen, sofern dort beispielsweise geregelt ist, dass eine bestimmte Anzahl von Überstunden zu leisten ist. Ferner kann auch eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat oder ein anwendbarer Tarifvertrag dem Arbeitgeber erlauben, von Beschäftigten mehr als die jeweils vereinbarte Arbeitszeit zu fordern.

Nur im äußersten Notfall bedarf es einer solchen expliziten Rechtsgrundlage nicht. Dazu muss es im Betrieb jedoch wirklich brennen oder einem das Wasser fast bis zum Hals stehen. Ein kurzfristig eingehender Großauftrag oder Personalengpässe aufgrund von Urlaub und Krankheit fallen hierunter grundsätzlich nicht.

2. Muss der Arbeitgeber die Überstunden immer vergüten?

Eigentlich ja, denn es gilt: »Keine Leistung ohne Gegenleistung«. Erbringen Beschäftigte eine Arbeitsleistung, so müssen sie dafür entlohnt werden. Will der Arbeitgeber die Vergütungspflicht für Überstunden ausschließen, muss er dies ausdrücklich regeln (Pauschale Abgeltungsklausel, siehe dazu unter Nr. 4).

Der Arbeitgeber muss die Überstunden allerdings nur vergüten, wenn er sie »veranlasst« hat. Freiwillig geleistete Überstunden gehen nicht auf sein Konto. Man sagt auch: Der Arbeitgeber muss sich Überstunden nicht aufdrängen lassen. Dem Arbeitgeber sind die Überstunden in folgenden Fällen zuzurechnen, mit der Folge, dass er sie auch vergüten muss:

  • Anordnung: Der Arbeitgeber hat die Überstunden explizit angeordnet.
  • Billigung: Der Arbeitgeber hat in irgendeiner Form zu erkennen gegeben, dass er mit Überstunden einverstanden ist.
  • Duldung: Der Arbeitgeber weiß von der Überstundenleistung und nimmt diese hin, in dem er keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden zu unterbinden.
  • »Konkludente Anordnung«: Häufig muss der Arbeitgeber die Überstunden nicht explizit anordnen. Es reicht auch, dass eine bestimmte vom Arbeitgeber angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten ist und der Zeitrahmen eben nur durch das Ableisten von Überstunden eingehalten werden konnte. Das nennt man dann eine »konkludente« Anordnung von Überstunden.

3. Wie ist es mit der Beweislast?

Hier ergeben sich in der Praxis viele Probleme. Häufig bestreiten Arbeitgeber, dass die Beschäftigten Überstunden geleistet haben. Dann muss der oder die Beschäftigte vor Gericht beweisen, dass er oder sie tatsächlich mehr als vertraglich vereinbart gearbeitet hat und diese Mehrarbeit (= Überstunden) vom Arbeitgeber angeordnet war (siehe oben). Denn nur wenn beides vorliegt, müssen Überstunden bezahlt werden.

Im sogenannten Überstundenprozess gilt nun – nicht anders als im Prozess auf Vergütung tatsächlich geleisteter Arbeit in der Normalarbeitszeit – eine Beweiserleichterung zu Gunsten des oder der Beschäftigten. Das BAG geht von einer sogenannten abgestuften Darlegungs- und Beweislast aus (BAG 26.6. 2019 – 5 AZR 452/18). Der oder die Beschäftigte muss nur vortragen, an welchen Tagen er oder sie von wann bis wann Arbeit geleistet hat. Mit diesem Vortrag muss sich der Arbeitgeber substantiiert auseinandersetzen. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin vorgetragenen Arbeitsstunden als zugestanden.

Den Beweis dafür, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind, trägt allerdings der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin.

In »Betriebsrat und Mitbestimmung« 6/2022 lest Ihr außerdem Antworten auf diese 4 weiteren Fragen:

4. Sind Klauseln zulässig, die pauschal eine bestimmte Anzahl von Überstunden als mit dem »Gehalt abgegolten« ansehen?

5. Was ist mit Überstunden von Teilzeitbeschäftigten?

6. Wie ist die Rolle des Betriebsrats?

7. Was können Beschäftigte gegen Überstunden tun?

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