Betriebsratsarbeit

Betriebsrat darf vor Plänen zum Stellenabbau warnen

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Quelle: © Alexander Raths / Foto Dollar Club

Betriebsratsmitglieder haben keinen generellen »Maulkorb«. Auch im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber steht ihnen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit zu. Tatsachenbehauptungen und Werturteile sind aber rechtlich unterschiedlich zu werten. Von Margit Körlings.

Streit um Äußerungen auf Betriebsversammlung

Die Parteien streiten über den Ausschluss eines Betriebsratsmitgliedes aus dem Betriebsrat, den der Arbeitgeber fordert. Der Arbeitgeber betreibt eine Eisengießerei, in der ein aus 25 Mitgliedern bestehender Betriebsrat amtiert.

Der Arbeitgeber hat im Quartalsbericht III-2015 auf einen Rückgang der Auftragslage bis 2019 um 15 Prozent hingewiesen, sowie auf eine Konzeptänderung zur Anpassung auf die veränderte Auftragslage.

Am 10.11.2016 gab es ein Gespräch zwischen Arbeitgeber und verschiedenen Arbeitnehmervertretern, ohne das betroffene Betriebsratsmitglied. Als theoretisches Szenario (»worst case«) erwähnt der Arbeitgeber, dass es bis 2021 zu einem Abbau von ca. 1.100 Arbeitsplätzen kommen könne. Im Protokoll der Betriebsratssitzung vom 1.12.2016, an welcher das Betriebsratsmitglied teilgenommen hat, wird auf den Tonnagerückgang und den möglichen Personalabbau mit Zahlen unterlegt verwiesen.

Auf der Betriebsversammlung am 4.12.2016 meldet sich das Betriebsratsmitglied zu Wort und äußert: »Wir haben am Donnerstag mitgeteilt bekommen, dass F Personalabbau im großen Stil plant. 1.100 Stellen sollen es nach Planung der Geschäftsführung sein. Wie viele Kollegen in den nächsten Jahren ihren Arbeitsplatz verlieren werden, steht noch nicht fest. Oder doch, Herr B?«

Der Arbeitgeber will, dass das Betriebsratsmitglied aus dem Betriebsrat ausgeschlossen wird. Er meint, dass dieser Interna aus Verhandlungen zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat unberechtigt in die Öffentlichkeit bringt. Seine Äußerung sei auch nicht vom Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gedeckt.

Ausschluss aus dem Betriebsrat bei schwerer Pflichtverletzung

Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) eröffnet die Möglichkeit, beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitgliedes wegen »grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten« zu beantragen (§ 23 Abs. 1 BetrVG). Diesen Antrag kann auch der Arbeitgeber stellen.

Es muss sich um eine besonders schwere Pflichtverletzung handeln, die eine weitere Amtsführung untragbar werden lässt. Das kann auch die Verletzung der Schweigepflicht sein, wenn diese wiederholt erfolgt oder schwerwiegende Folgen hat.

Alle an einer Betriebsversammlung teilnehmenden Arbeitnehmer haben das Recht, zu anstehenden Themen ihre Meinung zu sagen. Sie können sich auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen (Art. 5 Abs. 1 GG).

Das Recht auf freie Meinungsäußerung

Meinung ist jede subjektive Stellungnahme, die durch Elemente des Wertens und Dafürhaltens geprägt ist. Dazu gehören alle Werturteile. Oft kommt es auch auf die Wortwahl an. Ist es ein Werturteil, ist es schon Beleidigung oder noch Kritik. Werturteile sind nicht dem Beweis zugänglich. Man kann über sie unterschiedlicher Auffassung sein.

Dies kann auch an der Wortwahl erkannt werden wie »gut«, »schlecht«. Davon zu unterscheiden sind Tatsachenbehauptungen. Abgegrenzt wird der gesamte Kontext der Äußerung wie Ort, Zeit, Personen und Intention.

Der Arbeitgeber selbst hat den Betriebsrat über den Rückgang der Produktionszahlen und den daraus resultierenden Stellenabbau informiert. Um Stillschweigen hat er seinerseits nicht gebeten.

Das Betriebsratsmitglied wollte die Belegschaft vor einem Personalabbau im großen Stil warnen. Er verwies darauf, dass 1.100 Arbeitsplätze betroffen sein können. Die Zahl enthält einen Tatsachenkern. »Im großen Stil« ist dagegen eine Wertung. Zudem hat er von Planungen gesprochen. Die Ungewissheit des möglichen Personalabbaus kommt auch in der Rückfrage an den Geschäftsführer zum Ausdruck.

Deshalb unterfiel die Äußerung in der Betriebsversammlung insgesamt dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit.

Geheimhaltungspflicht oder Maulkorb für den Betriebsrat?

Die Grenze zwischen Geheimhaltungspflicht und »Maulkorb« für den Betriebsrat ergibt sich unmittelbar aus dem BetrVG. Betriebsratsmitglieder sind verpflichtet, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht weiterzugeben, die ihnen aufgrund ihrer Mitgliedschaft im Betriebsrat bekannt geworden sind, (§ 78 BetrVG). Der Arbeitgeber muss diese ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet haben. Das können Kalkulationsunterlagen, Absatzplanungen, wie auch Zahlen zur Liquidität des Unternehmens sein.

Zudem gilt das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zum Wohl der Arbeitsnehmer und des Betriebes (§ 2 Abs. 1 BetrVG). Dies kann schon einmal zu einer Gradwanderung führen. Einen Maulkorb hat der Betriebsrat jedoch keineswegs.

Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit bedeutet, dass beide, Betriebsrat und Arbeitgeber, bevor sie an die Öffentlichkeit gehen, zuvor untereinander auf Abhilfe drängen sollten. Dies kann auch im Rahmen der Monatsgespräche zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber erfolgen (§ 74 Abs. 1 BetrVG).

Der Betriebsrat darf Arbeitnehmer über rechtswidrige Maßnahmen des Arbeitgebers unterrichten, etwa wenn der Arbeitgeber Überstunden anordnet, ohne die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates zu beachten. Die Belegschaft informieren darf der Betriebsrat auch über den Inhalt von Betriebsvereinbarungen, Interessensausgleichen und Sozialplänen, aber auch über technische Einrichtungen.

Margit Körlings, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

LAG Hessen (19.03.2018)
Aktenzeichen 16 TaBV 185/17
Diese Entscheidungsbesprechung erhalten Sie als Teil des Newsletters »AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat« vom 6.3.2019.
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