Mitbestimmung

Betriebsratssitzung per Video nur nach Beschluss

10. Juni 2021
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Quelle: © Marco2811 / Foto Dollar Club

Die wirksame Teilnahme an einer Betriebsratssitzung per Videokonferenz erfordert einen Beschluss des Gremiums. Nur dann können im Rahmen der Sitzung weitere Beschlüsse wirksam gefasst werden. Das zeigt eine Entscheidung des Hessischen LAG.

Das war der Fall

Der 11-köpfige Betriebsrat und der Arbeitgeber streiten darüber, ob die Beschlussfassung des Betriebsrats bezüglich der Frage, gegen den Arbeitgeber anwaltlich wegen der Zugangsmöglichkeiten zum Betrieb zu Beginn der täglichen Arbeitszeit vorzugehen, wirksam erfolgt ist. Zudem bestreitet der Arbeitgeber, dass eine Betriebsvereinbarung die Betriebsöffnungszeiten festlege. Diese seien mitbestimmungsfrei.

Das sagt das Gericht

Der Betriebsrat hat in seiner Sitzung vom 10. Juni 2020 einen wirksamen Beschluss über die Einleitung des vorliegenden Verfahrens und die Beauftragung seines Verfahrensbevollmächtigten gefasst.

Zunächst stellt das Hessische LAG klar, dass die Ladung der Betriebsratsmitglieder inklusive Ersatzmitglieder ordnungsgemäß erfolgt war und auch die Beschlussfassung nicht zu beanstanden ist. Es kann insbesondere keinen Verfahrensfehler bezüglich eines Betriebsratsmitglieds erkennen, das sich im Homeoffice befunden hat und nicht in Präsenz an der Sitzung teilnahm. Das bloße Arbeiten im Homeoffice stelle zwar  keinen Hinderungsgrund für die Teilnahme an der Betriebsratssitzung dar, auch nicht mit Blick auf § 129 BetrVG. Danach könne zwar die Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats sowie die Beschlussfassung mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Die Entscheidung hierüber liegt jedoch nicht bei dem einzelnen Betriebsratsmitglied, sondern setze, wenn nicht die Betriebsratsvorsitzende von sich aus nach § 29 Abs. 2 BetrVG zu einer auch hybriden Betriebsratssitzung als Video- und Telefonkonferenz einlädt, eine entsprechende Beschlussfassung des Gremiums voraus. Ein einzelnes Betriebsratsmitglied kann dagegen nicht die Betriebsratsvorsitzende dazu zwingen, Betriebsratssitzungen ganz oder für einzelne Teilnehmer als Video- und Telefonkonferenz abzuhalten. Über die Teilnahme an Betriebsratssitzungen per Video- und Telefonkonferenz nach § 129 BetrVG entscheidet das Gremium durch Beschluss. Insoweit gilt § 29 Absatz 3 BetrVG.

Drehkreuzöffnung nicht Sache des Betriebsrats

Der Antrag des Betriebsrats, dem Arbeitgeber zu untersagen ohne Zustimmung des Betriebsrats Arbeitnehmern den Zugang zum Betrieb vor 5:45 Uhr, hilfsweise vor 5:30 Uhr zu verwehren, ist nicht begründet. Dem Betriebsrat steht ein Unterlassungsanspruch weder aus § 23 Abs. 1 BetrVG noch als so genannter allgemeiner Unterlassungsanspruch aus § 87 Abs. 1 BetrVG zu.

Die Praxis des Arbeitgebers, die Drehkreuze erst ab einer bestimmten Uhrzeit zu öffnen, betrifft nicht die Ordnung des Betriebs im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, sondern legt den Zeitpunkt des Zugangs zum Betriebsgelände vor der eigentlichen Arbeitsaufnahme fest. Die Berechtigung hierzu folgt unmittelbar aus dem Hausrecht des Arbeitgebers. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) werden nicht berührt, denn es geht nur um die Frage, wie lange vor Beginn der Arbeitsaufnahme Mitarbeiter bereits den Betrieb betreten dürfen. Auch eine Mitbestimmung § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (Gesundheitsschutz) ist hier anders als der Betriebsrat anführt, nicht einschlägig.

Das muss der Betriebsrat wissen

Spannend sind hier insbesondere die Ausführungen zu § 129 BetrVG und die Klarstellung, dass es nicht das einzelne Betriebsratsmitglied ist, das über die Anwendung der Ausnahmeregelung zur Videokonferenz hinsichtlich der eigenen Anwesenheitspflicht entscheiden kann.

© bund-verlag.de (mst)

Quelle

Hessisches LAG (08.02.2021)
Aktenzeichen 16 TaBV 185/20
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