Mitbestimmung

Datenschutzbeauftragten-Streit geht zum EuGH

29. April 2021
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Quelle: © Sven Hoppe / Foto Dollar Club

Seit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gibt es Zweifel, ob Betriebsratsvorsitzende zugleich auch Datenschutzbeauftragte ihres Arbeitgebers sein können. Das Sächsische LAG hatte dies zuletzt bejaht – jetzt legt das BAG die Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor.

Darum geht es

Der Arbeitgeber ist ein Konzern mit mehreren Unternehmen. Der Kläger ist seit 1999 in einem der Unternehmen beschäftigt und als Betriebsratsvorsitzender zum Teil freigestellt. 2015 bestellte der Arbeitgeber den Kläger als internen bzw. externen Datenschutzbeauftragten für mehrere Konzerngesellschaften.

Mit Schreiben vom Dezember 2017 und Mai 2018 berief der Arbeitgeber den Datenschutzbeauftragten wieder ab. Er führte an, die Landesdatenschutzbehörde hätte gerügt, das Betriebsratsamt seit nicht vereinbar mit der Stellung als Datenschutzbeauftragter. Der Arbeitnehmer erhob Klage und will feststellen lassen, dass seine Rechtsstellung als Datenschutzbeauftragter unverändert fortbesteht.

Das Sächsische LAG hatte der Klage stattgegeben und festgestellt, dass kein wichtiger Grund für die Abberufung des Klägers vorlag. Ein Betriebsratsvorsitzender könne zugleich auch Datenschutzbeauftragter seines Arbeitgebers sein kann – die Ämter seien nicht inkompatibel (Sächsisches LAG 19.08.2019 - 9 Sa 268/18).

Das sagt das BAG

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) ist unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung ebenfalls der Meinung, dass kein wichtiger Grund vorlag, den Kläger als Datenschutzbeauftragten abzuberufen.

Das deutsche Datenschutzrecht regelt in § 38 Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 4 Satz 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), dass für die Abberufung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 BGB vorliegen muss. Einen solchen hält das BAG nicht für gegeben.

Allerdings kommt es für die Entscheidung, ob der Arbeitgeber den Kläger wirksam von seinem Amt als betrieblicher Datenschutzbeauftragter abberufen hat, auf die Auslegung von Unionsrecht an, die dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vorbehalten ist.

Das BAG führt aus, das BSDG stelle für die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten strengere Anforderungen als das Unionsrecht. Nach der auch in Deutschland unmittelbar geltenden Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist die Abberufung lediglich dann nicht gestattet, wenn der Datenschutzbeauftragte wegen seiner Aufgabenerfüllung abberufen wird (Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO).

Einen wichtigen Grund zur Abberufung, so das BAG, verlange das europäische Recht nicht.

Deshalb fragt das BAG beim EuGH an:

  • ob neben Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO auch mitgliedstaatliche Normen anwendbar sind, die - wie § 38 Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG - die Möglichkeit der Abberufung eines Datenschutzbeauftragten gegenüber den unionsrechtlichen Regelungen einschränken.
     
  • Falls der EuGH die Anforderungen des BDSG an eine Abberufung für unionsrechtskonform hält, möchte das BAG wissen, ob die Ämter des Betriebsratsvorsitzenden und des Datenschutzbeauftragten in einem Betrieb in Personalunion ausgeübt werden dürfen oder ob dies zu einem Interessenkonflikt führt (Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DSGVO).

Hinweis für Praxis

Zwar werden nicht viele Arbeitgeber ein Betriebsratsmitglied als Datenschutzbeauftragten bestellen. Dennoch ist es wichtig zu wissen, ob diese Ämter miteinander vereinbar sind. Für noch weit mehr Unternehmen ist die Frage von Bedeutung, welchen rechtlichen Schutz ein angestellter Datenschutzbeauftragter vor Abberufung und Kündigung genießt. Denn obwohl Datenschutzbeauftragte bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben unabhängig sind, bleiben sie als Angestellte dennoch weisungsgebunden gegenüber dem Arbeitgeber und können gekündigt werden.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

BAG (27.04.2021)
Aktenzeichen 9 AZR 383/19 (A)
BAG, Pressemitteilung Nr. 9/21 vom 27.4.2021
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