Matrixunternehmen

Führungsaufgabe als zustimmungspflichtige Einstellung

01. Oktober 2019
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Quelle: © Gina Sanders / Foto Dollar Club

In Unternehmen mit Matrixstrukturen sitzen Arbeitnehmer und Vorgesetzte meist an unterschiedlichen Orten. Bei Einstellungen ist dann die Frage: Welcher Betriebsrat darf mitbestimmen? Das BAG hat aktuell entschieden, dass das Zuweisen einer Führungsaufgabe eine Einstellung ist, bei der der örtliche Betriebsrat mitbestimmt und nicht der Gesamtbetriebsrat.

Matrixstrukturen sind heutzutage verbreitet. Ein Matrixunternehmen setzt nicht mehr allein auf den klassischen hierarchischen Aufbau Geschäftsführung - Fachabteilungen (Vertrieb, Produktion...) - Sachbearbeiter. Stattdessen gibt es mehrere Weisungsketten, so dass z.B. Vertrieb oder Kundendienst in allen Filialen des Unternehmens direkte fachliche Anweisungen von weiter entfernten Vorgesetzten erhalten.

Auch der direkt weisungsbefugte Vorgesetzte sitzt oft nicht mehr vor Ort, sondern steuert Mitarbeiter über elektronische Kommunikationsmittel von anderen Betrieben aus. Die Fragen der Mitbestimmung sind vielfältig. Das BAG hat nun einiges geklärt – im Sinne der Mitbestimmung.

Das war der Fall

Ein größeres Telekommunikationsunternehmen hat eine Zentrale und Betriebsstätten an verschiedenen Standorten. Der in der Zentrale bereits mit Führungsaufgaben versehene Dr. K sollte zum Leiter eines über zwölf km entfernten Bereichs des Unternehmens befördert werden. Der Betriebsrat der Zentrale stimmte zu, nicht aber der örtliche Betriebsrat, der seine Zustimmung verweigerte. Er rügte die fehlende Ausschreibung der Position des Bereichsleiters und berief sich damit auf sein Zustimmungsverweigerungsrecht (§ 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG).

Der Arbeitgeber ist der Meinung, allein die Übertragung einer Vorgesetztenfunktion begründe keine Einstellung. Jedenfalls sei in einem solchen Fall der Gesamtbetriebsrat und nicht der jeweilige örtliche Betriebsrat zuständig. Und er sieht keinen Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 BetrVG. Folglich verlangt der Arbeitgeber vom Gericht, die Zustimmung des Betriebsrats zu ersetzen.

Das sagt das Gericht

Das BAG gibt im Ergebnis dem Arbeitgeber Recht und ersetzt die Zustimmung zu der vorliegenden Einstellung. Allerdings macht das BAG wichtige grundsätzliche Ausführungen, die für andere Betriebsräte in Matrixunternehmen wichtig sind:

1. Zuweisen von Führungsaufgaben ist »Einstellung«

Das BAG bejaht auch beim Zuweisen von Führungsaufgaben eine »Einstellung«. Diese liegt nach ständiger Rechtsprechung des BAG vor, wenn eine Person in den Betrieb eingegliedert wird, um dort weisungsgebundene Tätigkeiten auszuüben (§ 99 Abs. 1 BetrVG). Dies sieht das BAG als gegeben.

Denn eine Einstellung erfordert nicht zwingend permanente Anwesenheit des eingestellten Arbeitnehmers auf dem Betriebsgelände oder in den Betriebsräumen. Es ist also völlig in Ordnung, wenn Dr. K seine Führungsfunktion von der Zentrale aus – vor allem über digitale Medien – steuert.

Auch als Führungskraft arbeitet Dr. K. weisungsgebunden. Entscheidend ist, ob der Arbeitgeber mit Hilfe des Arbeitnehmers den arbeitstechnischen Zweck des jeweiligen Betriebs verfolgt. Die Tatsache, dass Dr. K bereits in den Betrieb der Zentrale eingegliedert ist, steht einer Eingliederung in einen anderen Betrieb nicht entgegen. Eine Einstellung kann durchaus in mehreren Betrieben gleichzeitig erfolgen.

2. BAG verneint Zustimmungsverweigerungsgründe

Der örtliche Betriebsrat war demnach zuständig, um seine Mitbestimmungsrechte auszuüben. Allerdings sieht das BAG hier keinen gesetzlichen Grund, die Zustimmung zu verweigern.

Der Betriebsrat hatte die Zustimmung verweigert, da es an der nötigen Ausschreibung für den Arbeitsplatz gefehlt habe (§ 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG). Das sieht das BAG anders, denn dieses Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf die Besetzung vorhandener Stellen im Betrieb und nicht auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Es setzt daher eine bereits vorhandene oder eine vom Arbeitgeber geschaffene neue Stelle im Betrieb voraus. Das war hier nicht der Fall. Andere Zustimmungsverweigerungsgründe sieht das BAG nicht.

Das muss der Betriebsrat beachten

Das Urteil stärkt die Rechte der Betriebsräte in Matrixorganisationen. Denn immer häufiger kommt es vor, dass Vorgesetzte in mehreren Betrieben tätig sind und ihre Mitarbeiter nur noch über digitale Kanäle steuern. Gut ist daher, dass das BAG das Zuweisen von Führungsaufgaben als mitbestimmungspflichtige Einstellung wertet. Somit haben die örtlichen Betriebsräte da ein Wörtchen mitzureden und können die Interessen ihrer Kollegen –  nach Maßgabe der Zustimmungsverweigerungsgründe des § 99 Abs. 2 Nr. 1- 6 BetrVG – geltend machen.

Es ist eine Binsenweisheit, dass Interessen der Arbeitnehmer auch bei der Zuweisung von Vorgesetztenfunktionen berührt sein können. Gerade Matrixorganisationen bergen Risiken, denn die Vorgesetzten sind, sofern nicht vor Ort, oft sehr schwer erreichbar. Zu beachten ist allerdings, dass der Betriebsrat sich wohl eher nicht auf eine unterbliebene Ausschreibung berufen kann. Vielmehr muss er die anderen Verweigerungsgründe prüfen. Dazu gehört etwa die Frage, ob durch die neue Führungsstruktur möglicherweise der Betriebsfrieden gestört werden könnte (§ 99 Abs. 2 Nr. 6 BetrVG).

Lesetipps:

© bund-verlag.de (fro)

Quelle

BAG (12.06.2019)
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