Aufhebungsvertrag

Goldener Handschlag begünstigt nicht

16. April 2018
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Quelle: © Sandra van der Steen / Foto Dollar Club

Ein Betriebsratsvorsitzender wird nicht unzulässig begünstigt, wenn ihm der Arbeitgeber im Aufhebungsvertrag eine Abfindung zusagt und ihn bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses bezahlt freistellt. Von Margit Körlings.

Der Kläger ist 1962 geboren und seit 1983 bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Seit 1990 ist er Betriebsratsmitglied und seit 2006 freigestellter Betriebsratsvorsitzender. Ihm wurden sexuelle Belästigung einer Mitarbeiterin und Stalking vorgeworden. Unterlegt wurden die Vorwürfe durch eine eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin und eine Vielzahl von Kurznachrichten (SMS, WhatsApp und eMails). Nachdem der Betriebsrat der Kündigung nicht zugestimmt hatte, beantragte der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht, die Zustimmung zu ersetzen. Der Arbeitgeber erteilte dem Betriebsratsvorsitzenden Hausverbot und beantragte beim Arbeitsgericht seinen Ausschluss aus dem Betriebsrat.

Aufhebungsvertrag im Kündigungsrechtsstreit

Vor diesem Hintergrund wurde am 22.7.2013 ein Aufhebungsvertrag  geschlossen. Darin wurde vereinbart, dass die bezahlte Freistellung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2015 andauern sollte. Mit Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages hatte sich der Kläger verpflichtet, von allen Ämtern (Betriebsratsvorsitzender, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates, stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates) zurückzutreten. Er erhielt in zwei Raten eine Abfindung in Höhe von netto 120.000 Euro gezahlt.

Am 21.7.2014 erhob der frühere Betriebsratsvorsitzende Klage. Er meint, der Aufhebungsvertrag sei nichtig und das Arbeitsverhältnis bestehe über den 31.12.2015 hinaus fort. Dies ergebe sich aus § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. § 78 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Denn das Gesetz verbiete nicht nur jede Art von Benachteiligung, sondern auch jede Bevorzugung eines Betriebsratsmitglieds.

Kläger sieht sich als Betriebsratsmitglied begünstigt

Der Kläger meint, es gebe dagegen drei Verstöße. Erstens sei er 29 Monate unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freigestellt. Die Vergütung dafür belaufe sich auf rund 144.000 Euro. Zweitens gehe die Abfindungssumme deutlich über die in §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) festgesetzte von 15 Gehältern hinaus und dies bei einer Auszahlung weit vor Ende des Arbeitsverhältnisses. Drittens sei ihm ein Reisemobil im Wert von ca. 45.000 Euro zugesagt worden. Ein Aufhebungsvertrag mit »Goldenem Handschlag« in dieser Höhe sei nichtig. Der Arbeitgeber solle nicht auf diese Art und Weise unbequeme Betriebsräte aus dem Unternehmen herauskaufen können.

BAG: Aufhebungsvertrag frei vereinbar

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sah hier jedoch keine verbotene Begünstigung. Aus § 78 Satz 2 BetrVG ergibt sich, dass Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden dürfen. Damit ist jeder im Vergleich mit anderen Arbeitnehmern erfolgte andere Behandlung gemeint, die nicht auf sachliche Gründe gestützt wird (BAG 20.1.2010, 7 ABR 68/08 und BAG 28.3.2007, 7 ABR 33/06).

Aufhebungsverträge unterliegen der Vertragsfreiheit. Die Parteien eines Rechtsstreits entscheiden frei darüber, ob und wie sie ein Verfahren beenden. Das kann ein gerichtlicher oder außergerichtlicher Vergleich sein, aber auch ein Aufhebungsvertrag. Dass der Kläger aufgrund seiner Stellung als Betriebsratsvorsitzender eine günstige Verhandlungsposition hatte und genutzt hat, stellt keine verbotene Bevorzugung allein wegen seines Amtes dar, entschied das BAG.

Der Betriebsratsvorsitzende hatte insofern eine günstigere Position, als der Arbeitgeber einem Betriebsratsmitglied erst dann kündigen kann, wenn das Zustimmungsersetzungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Bis dahin besteht auch Vergütungsanspruch. Es kann sich dann noch ein Kündigungsschutzprozess anschließen, in dem aber keine neuen Gesichtspunkte gegen die Kündigung vorgebracht werden können, die nicht schon im Zustimmungsersetzungsverfahren geltend gemacht wurden.

Aus Sicht des Arbeitgebers bestand ein Interesse am Aufhebungsvertrag, denn das Vertrauensverhältnis zum Betriebsratsvorsitzenden war gestört. Der Kläger erschien auch auf Informationsveranstaltungen im Betrieb, auf denen  er die Dinge aus seiner Sicht darstellte, bis das Hausverbot ausgesprochen wurde und wandte sich an die regionale Presse.

Abfindung nicht unzulässig hoch

Die Höchstgrenzen der Abfindung aus §§ 9, 10 KSchG gelten nur bei einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht. Ansonsten herrscht Vertragsfreiheit. Für die Höhe kommt eine Vielzahl von Aspekten in Betracht. Der Kläger war 51 Jahre alt und 31 Jahre im Unternehmen. Im Arbeitsverhältnis gab es vor dem Belästigungsvorwurf keine Vorkommnisse. Durch seine Ämter hatte er eine exponierte Stellung. Eine Sperrzeit stand im Raum. Die Kündigungsgründe waren strittig. Die Summe war daher nicht begünstigend im Sinne von § 78 Satz 2 BetrVG.

Auch eine Gesamtbetrachtung führt zu keinem anderen Ergebnis. Das Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2015, die Vergütung unter Freistellung sind der besonderen Rechtsstellung des Kläger geschuldet. Diese beruht auf dem in § 15 KSchG und § 103 BetrVG geregelten Sonderkündigungsschutz.

Zusage des Rücktritts war nicht rechtswidrig

Auch die Vereinbarung zum Rücktritt von den Ämtern macht den Aufhebungsvertrag nicht nach § 134 BGB nichtig. Dies konnte in dieser besonderen Fallkonstellation nur so erfolgen. Ansonsten wäre der Kläger freigestellt gewesen und hätte nur die Ämter ausgeübt.

Praxistipp

Ohne ein nahtloses unbefristetes Anschlussarbeitsverhältnis sollte ein Betriebsratsmitglied keinen Aufhebungsvertrag schließen. Im Übrigen sind Betriebsratsmitglieder wie alle Arbeitnehmer frei, mit dem Arbeitgeber über die besten Konditionen für ihr Ausscheiden zu verhandeln. Dazu können sie auch ihren Sonderkündigungsschutz in die Waagschale werfen. Dies wäre sicher nicht zulässig, wenn es um eine Sozialplanabfindung etwa bei einer Betriebsstillegung geht. Bei einer individuellen Vereinbarung ist aber vieles erlaubt.

Margit Körlings, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

BAG (21.03.2017)
Aktenzeichen 7 AZR 590/16
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 18.4.2018.
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