Sachmittel

Hat ein Betriebsratsmitglied Anspruch auf eine Bahncard 100?

11. November 2022
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Quelle: © Starpics / Foto Dollar Club

Muss ein Arbeitgeber einem Betriebsratsvorsitzenden eine BahnCard100 zur Verfügung stellen, wenn eine Gesamtbetriebsvereinbarung dies vorsieht? Mit einem Eilantrag vor dem LAG Köln hatte der Betriebsrat keinen Erfolg. Es fehle unabhängig von den Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren am Eilbedürfnis.

Der Sachverhalt:

Betriebsrat und Arbeitgeber streiten im Eilverfahren um die Frage, ob ein Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf eine Bahncard 100 hat. Der Betrieb befasst sich mit dem Handel von Sportartikeln. Nach einer Gesamtbetriebsvereinbarung stellt der Arbeitgeber freigestellten Betriebsratsmitgliedern entweder eine Bahncard 100 zur Verfügung oder erstattet die Reisekosten vollständig.

Der freigestellte Vorsitzende des Betriebsrats wählte die Option 1. Eine Bahncard100 erhielt er jedoch nicht. Der Betriebsrat beantragt beim Arbeitsgericht (ArbG) den Erlass einer einstweiligen Verfügung, um den Arbeitgeber zur Gewährung einer Bahncard 100 zu verpflichten. Das ArbG wies den Antrag ab.

Die Gründe:

Die Beschwerde des Betriebsrats hatte vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) keinen Erfolg. Die Entscheidung ist im Eilverfahren rechtskräftig, in der Hauptsache werden die Gerichte noch prüfen, ob der Anspruch tatsächlich besteht.

Für einen Erfolg des Betriebsrats im Eilverfahren fehlt hier der Verfügungsgrund, so das LAG Köln. Dieser ist nur gegeben, wenn ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens nicht zuzumuten ist. Vorliegend sind keine Tatsachen ersichtlich, die eine solche Unzumutbarkeit begründen könnten. Die verlangte Bahncard100 ist zur Abwendung wesentlicher drohender Nachteile aus den folgenden Gründen nicht erforderlich:

  • Der Betriebsratsvorsitzende kann die Reisen durchführen, ohne dafür sein eigenes Geld einzusetzen, indem er frühzeitig bei der Arbeitgeberin das Verfahren der sog. Travel Sheets nutzt, also . Zudem stand in den Sommermonaten für den Nahverkehr das 9-Euro-Ticket zur Verfügung.

  • Weiterhin kann der Betriebsratsvorsitzende die Reisen zu den auswärtigen Betriebsstätten durchführen, ohne eine "Erforderlichkeitsprüfung" befürchten zu müssen. Der Betriebsrat konnte nämlich keinen einzigen Fall nennen, in dem die Arbeitgeberin eine Reise zu den auswärtigen Betriebsstätten als nicht erforderlich abgelehnt hätte. Außerdem wird die Voraussetzung der Erforderlichkeit in § 37 Abs. 6 BetrVG und § 40 Abs. 2 BetrVG als solche allgemein nicht als Beeinträchtigung der Betriebsratsarbeit betrachtet.
     
  • Zudem hat der Betriebsratsvorsitzende die Möglichkeit, sich die Reisekosten vorzustrecken und sich von der Arbeitgeberin erstatten zu lassen. Dem steht sein Vorbringen, er habe dafür nicht genügend liquide Mittel zur Verfügung, nicht entgegen. Jedenfalls würde eine Bahncard 100 die von ihm beschriebene finanzielle Misere nicht lindern. Das Gegenteil wäre der Fall, so die Richter in Köln: Bei den in den ersten Monaten des Jahres 2022 angefallenen Reisekosten wurde ein monatlicher Betrag aufgewendet, der die Kosten einer Bahncard100 nicht annährend erreichte (eher nur 10 Prozent desselben). Der Betriebsratsvorsitzende müsste daher die Gewährung der Bahncard 100 weitgehend als geldwerten Vorteil versteuern.

Hinweis für die Praxis

Die Gewährung einer Bahncard 100, so wie von der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehen, stellt einen nicht geringen geldwerten Vorteil dar, wenn der Inhaber sie auch für private Bahnfahrten nutzen kann.

Ob die Gewährung eines solchen Vorteils  an den Betriebsratsvorsitzenden aus Anlass der Freistellung gegen das Begünstigungsverbot (§ 78 Satz 2 BetrVG) verstoßen könnte, ist im Rahmen der Eilbedürftigkeitsprüfung nicht relevant. Das LAG hat die Frage daher offen gelassen.

Dass das Gericht seine Zweifel allerdings ausdrücklich im Beschluss festgehalten hat, macht aber deutlich, dass der Anspruch auf die Bahncard 100 nicht so offensichtlich gegeben sein dürfte, wie der Betriebsrat dies annimmt. Auch eine Kostenausgleichsregelung darf einem Betriebsrat keine unzulässigen Vorteile verschaffen.

©b bund-verlag.de (fro)

Quelle

LAG Köln (28.07.2022)
Aktenzeichen 6 TaBVGa 4/22
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