Barrierefreiheit

Kein Anspruch auf Online-Chat mit dem Sozialgericht

07. Januar 2019
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Quelle: © Fontanis / Foto Dollar Club

Ein Prozessbeteiligter kann nicht verlangen, dass ein Sozialgericht seine mündliche Verhandlung als Online-Chat durchführt, damit er vom häuslichen Computer aus teilnehmen kann. Auch wenn der Kläger am Asperger-Syndrom leidet, sei sein Teilhaberecht gewahrt, da er sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen könne - so das BVerfG.

Darum geht es:

Der Kläger leidet an Autismus in Firm des Asperger-Syndroms. Er wollte die Anerkennung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) durchsetzen. Der Kläger verlangte von den Gerichten, die mündliche Verhandlung nach seinen Vorstellungen barrierefrei durchzuführen. Er beantragte, die Verhandlung in einem Online-Chat-Verfahren durchzuführen, damit er an der Verhandlung von seinem heimischen Computer aus teilnehmen kann.

Dies lehnten das Sozialgericht (SG) Chemnitz und das Sächsische Landessozialgericht (LSG) ab. Der Kläger erhielt im Laufe des Verfahrens zwar einen höheren GdB zuerkannt, aber nicht die beantragten Merkzeichen. Er erhob Verfassungsbeschwerde.

Das sagt das Gericht:

Diese Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aber nicht zur Entscheidung angenommen. Zwar gelte das verfassungsrechtliche Gebot, niemanden wegen seiner Behinderung zu benachteiligen (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG). Dieses Gebot habe das LSG Sachsen aber mit seiner Entscheidung nicht verletzt.

Gerichte haben das Verfahren stets so zu führen, dass den gesundheitlichen Belangen der Verfahrensbeteiligten Rechnung getragen wird. Sie haben dabei auch das Benachteiligungsverbot für Menschen mit Behinderung zu beachten.

Diese Verpflichtung bestehe jedoch nicht uneingeschränkt: Die mündliche Verhandlung im Gerichtsverfahren sei für den Rechtsstaat unerlässlich. Sie dient dazu, Transparenz zu schaffen.

Der Unmittelbarkeitsgrundsatz besagt, dass das Gericht den Sachverhalt, aufgrund dessen es seine Entscheidung fällt, umittelbar aus der mündlichen Verhandlung ermitteln muss. Die vom Beschwerdeführer verlangte Form der Verhandlung per Chat stünde zu diesen Verfassungsprinzipien in Widerspruch.

Gemessen an diesen Maßstäben liege nach einer Gesamtwürdigung keine Ungleichbehandlung des Klägers vor, so die Richter in Karlsruhe. Seine Rechte würden dadurch gewahrt, dass er für die mündliche Verhandlung vor Gericht einen Bevollmächtigten oder Beistand bestellen kann.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

BVerfG (27.11.2018)
Aktenzeichen 1 BvR 957/18
BVerfG, Pressemitteilung Nr. 1/2019 vom 3.1.2019
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