Beschäftigtendatenschutz

Keine Kontrolle im Drei-Minuten-Takt

09. Oktober 2018
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Quelle: © Marco2811 / Foto Dollar Club

Ein Taxiunternehmen kann von seinem als Arbeitnehmer beschäftigten Taxifahrer nicht verlangen, dass dieser beim Warten auf Fahrgäste alle drei Minuten eine Signaltaste drückt, um seine Arbeitsbereitschaft zu bestätigen.Von Bettina Krämer.

Ein Taxifahrer bekam vom Arbeitgeber nicht die komplette Standzeit vergütet. Der Arbeitgeber begründete dies damit, dass die Arbeitsbereitschaft nicht vorgelegen hat. Das vom Taxifahrer genutzten Taxis hatte einen Taxameter, der nach einer Standzeit von drei Minuten einen Ton von sich gab. Der Fahrer hatte dann zehn Sekunden Zeit eine Taste zu drücken um seine Arbeitsbereitschaft zu signalisieren. Tat er dies nicht, ging der Arbeitgeber von einer nicht bezahlten Pause aus.

Der Arbeitnehmer wollte diese Praxis des Arbeitgebers nicht mehr hinnehmen. Er war der Ansicht, dass das Drücken der Taste alle drei Minuten lang unzumutbar und auch im Tagesgeschäft nicht immer praktisch möglich sei. Das verklagte Taxiunternehmen war nur bereit, die vom Zeiterfassungssystem als Arbeits- oder Bereitschaftszeit erfasste Zeit zu vergüten. Der Arbeitnehmer klagte den ausstehenden Mindestlohn für die vom Arbeitgeber nicht akzeptierten Zeiten ein. Der Taxifahrer gewann vor dem Arbeitsgericht und nun auch vor der Landesarbeitsgericht. Der Arbeitgeber muss die Standzeiten (abzgl. gesetzlicher Pausenzeiten) bezahlen, auch wenn der Arbeitnehmer nicht alle drei Minuten die Taste gedrückt hatte.

Standzeit gleich Bereitschaftszeit?

Bei der Feststellung was Arbeitszeit ist oder nicht bedient sich der Arbeitgeber mittlerweile Bei den Standzeiten handelt es sich um vergütungspflichtige Bereitschaftszeiten. Dass der Arbeitnehmer es unterlassen hat, den Signalknopf alle drei Minuten zu drücken, steht der Vergütungspflicht nicht entgegen. Erteilt der Arbeitgeber eine solche Weisung ist diese nicht durch berechtigte Interessen des Arbeitgebers gedeckt und in Abwägung der beiderseitigen Belange unverhältnismäßig.

Dass es sich bei den nicht erfassten Standzeiten nicht um Pausenzeiten handelt, werde, so das LAG, auch an der Verteilung der Zeiten deutlich. Liegen 12 Stunden zwischen Arbeitsbeginn und Arbeitsende können die vom Arbeitgeber erfassten Standzeiten von 11 Minuten nicht den Arbeitsabläufen im Taxigewerbe.

Verstoß gegen Datenschutz?

Die vom Arbeitgeber getroffene Regelung verstößt - so auch das LAG Berlin- Brandenburg - zudem gegen das Datenschutzgesetz. Die Arbeits- und Pausenzeiten sind personenbezogene Daten im Sinne des BDSG. Sie dürfen nur erhoben werden, soweit dies zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist. Das engmaschige Erfassen der Arbeitszeit im 3-Minuten-Takt ist nicht erforderlich und stellt eine unverhältnismäßige Erfassung dar, so das Gericht.

Auswirkungen des Urteils

Nach dem Urteil ist klar, dass eine so extreme Überwachung der Arbeitnehmer durch Kontrollsysteme nicht in Ordnung ist und völlig unverhältnismäßig. Der Arbeitnehmer im vorliegenden Fall hätte ansonsten auch keinerlei persönliche Möglichkeit mehr gehabt sich kurz die Beine zu vertreten oder auszusteigen. Eine lückenlose Kontrolle der Bewegungsfreiheit und Beschneidung durch Kontrollen des Arbeitgebers sind so nicht zulässig. Zwar darf der Arbeitgeber ein Arbeitszeiterfassungssystem vorhalten, jedoch darf die Kontrolle nicht so dicht sein, dass die Bewegungsfreiheit und das Persönlichkeitsrecht unzumutbar beschnitten werden.

Praxistipp

Hier sieht man, dass das BDSG kein bloßer Papiertiger ist, sondern von immenser Bedeutung. Im Sinne des Beschäftigtendatenschutzes, muß gerade bei der Kontrolle von Arbeitnehmern der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet werden (so auch das BAG v. 17.11.2016 - 2 AZR 730/15). Verstößt der Arbeitgeber hiergegen, kann er die gewonnen Daten zumeist nicht verwerten.

Sieht man sich als Betriebsrat solchen Einführungen von Kontrollsystemen ausgesetzt muss man auf sein Mitbestimmungsrecht im Rahmen des Unterlassungsanspruchs pochen. Der Betriebsrat hat nämlich nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 BetrVG mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber Zugangskontrollsysteme einführen will, bei denen Informationen gespeichert werden. Sind durch die Systeme Kontrollen möglich, liegt auch ein Mitbestimmungstatbestand vor. Dabei muss der Arbeitgeber gar nicht kontrollieren, sondern es reicht aus, wenn die abstrakt objektive Möglichkeit der Kontrolle besteht. Hierzu zählen auch Personalinformationssysteme, die Krankheitstage, unentschuldigte Tage usw. registrieren. Auch, wenn GPS-Geräte in Firmenfahrzeugen installiert werden sollen, um Warenwege und Aufenthaltsstandorte zu bestimmen, liegt die Möglichkeit der Überwachung der Arbeitnehmer vor und löst den Mitbestimmungstatbestand aus (vgl. ArbG Kaiserslautern 27.8.2008 - 1 BVGa 5/08).

Bettina Krämer, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

LAG Berlin-Brandenburg (30.08.2018)
Aktenzeichen 26 Sa 1151/17
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 10.10.2018.
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