Betriebsratswahl

Weit entfernte Betriebsteile wählen nicht gemeinsam

22. Mai 2019
Wahl Wahlvorstand Stimmabgabe Wahlurne
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Betriebsteile können einen gemeinsamen Betriebsrat mit dem Hauptbetrieb wählen. Bei weiter räumlicher Entfernung ist dies aber unzulässig, da der Betriebsrat den Betriebsteil nicht effektiv mitbetreuen kann. Von Matthias Beckmann.

In diesem Verfahren ging es um die Anfechtung einer Betriebsratswahl. Die Anfechtung erfolgte durch fünf Arbeitnehmer. Bei der Betriebsratswahl war ein gemeinsamer Betriebsrat für mehrere Standorte gewählt worden. Die antragstellenden Arbeitnehmer waren jedoch der Auffassung, dass mehrere einbezogene Bereiche eigenständige Betriebe sein. Demzufolge hätten dort eigene Betriebsräte gewählt werden müssen.

Sowohl der Arbeitgeber als auch der Betriebsrat vertraten die Auffassung, dass es lediglich einen Betrieb mit einheitlicher Leitung gäbe.

Verkennung des Betriebsbegriffs

Das Arbeitsgericht (ArbG) Stuttgart hat dem Antrag stattgegeben und die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt. Bei der Wahl sei gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht verstoßen worden. Die Wahl habe unter Verkennung des Betriebsbegriffs stattgefunden.

Die bei der Wahl einbezogenen Betriebsteile seien selbstständige betriebsratsfähige Einheiten, in denen zu Unrecht kein eigener Betriebsrat gewählt worden sei. Denn bei der Wahl hatten auch Beschäftigte in Betriebsteilen mit abgestimmt, die 100 km oder sogar 600 km vom Zentralbetrieb entfernt lagen.

Keine effektive Betreuung möglich

Eine effektive Betreuung der Beschäftigten dieser Betriebsteile durch den gewählten Betriebsrat sei auf diese Distanz nicht möglich. Dabei berücksichtigte das ArbG Stuttgart auch, dass kein Arbeitnehmer dieser Betriebsteile sich zur Wahl gestellt hatte und die Wahlbeteiligung mit lediglich sechs Stimmen sehr gering ausgefallen war. Dies spreche dafür, dass sich die Arbeitnehmer nicht repräsentiert fühlten.

Arbeitgeberseite und Betriebsrat hatten argumentiert, dass bereits vor etwa 20 Jahren ein Beschluss getroffen worden sei, wonach sich die Betriebsteile an den Betriebsratswahlen im Zentralbetrieb beteiligen. Dies führte aber nach Ansicht der Kammer nicht dazu, dass entgegen dem Gesetzeswortlaut ein einheitlicher Betrieb vorliegt.

Betriebsbegriff des BetrVG

Die Problematik war hier demnach die Einbeziehung räumlich entfernter Betriebsteile bei der Betriebsratswahl des Hauptbetriebes. Nach § 4 BetrVG gelten Betriebsteile als selbständige Betriebe, wenn

  • sie entweder räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt liegen
  • oder sie durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sind.

Ein Betriebsteil ist räumlich weit entfernt, wenn wegen dieser Entfernung eine sachgerechte Vertretung der Arbeitnehmer des Betriebsteils durch den Betriebsrat des Hauptbetriebes nicht erwartet werden kann. Dabei kommt es nicht nur auf die objektive Entfernung an, sondern insbesondere auch auf die Verkehrsverbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Im hiesigen Verfahren hätten die Arbeitnehmer der räumlich entfernten Betriebsteile im Interesse einer effektiven Betreuung jeweils eigene Betriebsräte wählen müssen.

Kein gültiger Teilnahmebeschluss

Eine Abweichung von diesem Grundsatz ist indes auch nach dem BetrVG möglich. Die Arbeitnehmer eines Betriebsteils können mit Stimmenmehrheit formlos beschließen, an der Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb teilzunehmen.

Arbeitgeber und Betriebsrat hatten dementsprechend argumentiert, die Beteiligung an der Betriebsratswahl im Zentralbetrieb werde schon langjährig so praktiziert. Es fehlte aber an einer entsprechenden ausdrücklichen Erklärung der Mitarbeiter aus dem Betriebsteilen.

Entschließen sich die Arbeitnehmer eines Betriebsteils, sich von dem gemeinsam gewählten Betriebsrat des Hauptbetriebes vertreten zu lassen, sind Arbeitgeber und die Arbeitnehmer des Hauptbetriebes daran gebunden. Die Arbeitnehmer des zugeordneten Betriebsteils sind dann natürlich bei den Schwellenwerten zu berücksichtigen, bei denen es auf die Anzahl der Beschäftigten im Betrieb ankommt.

In Unternehmen mit mehreren Betrieben besteht daneben die Möglichkeit einer tariflichen Regelung nach § 3 BetrVG. Durch Tarifvertrag kann die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats oder die Zusammenfassung von Betrieben geregelt werden.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die unterlegenen Beteiligten, also Arbeitgeber und Betriebsrat, haben die Möglichkeit, Rechtsbeschwerde beim Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg einzulegen. Bleibt es bei der Entscheidung über die Unwirksamkeit, muss die Betriebsratswahl wiederholt werden. Die bis zur Rechtskraft der Unwirksamkeitserklärung gefassten Beschlüsse bleiben indes wirksam.

Matthias Beckmann, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

ArbG Stuttgart (25.04.2019)
Aktenzeichen 21 BV 62/18
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 22.5.2019
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