Mitbestimmung

Sicherheitsfachkraft: Abberufung durch Betriebsrat oder Personalrat?

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Quelle: © industrieblick / Foto Dollar Club

Ist die Interessenvertretung mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit oder dem Betriebsarzt nicht einverstanden, ist fraglich, ob sie initiieren kann, die Fachkraft abzuberufen. Viele Experten propagieren ein solches Recht. Das BAG hat sich bisher nicht geäußert. Ein LAG verneint nun ein solches Recht – mit zweifelhaften Argumenten.

Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte müssen eng mit dem Betriebsrat und Personalrat zusammen arbeiten. Deren Mitbestimmungsrecht ist gerade im Gesundheitsschutz weitreichend und umfasst für viele Themen auch Initiativrechte. Doch wie weit die Mitbestimmung bei der Fachkraft für Arbeitssicherheit und dem Betriebsarzt reicht, ist umstritten und vom BAG bisher nicht geklärt.  

Das war der Fall

Der Betriebsrat verlangt, dass die Fachkraft für Arbeitssicherheit abberufen werden solle. Sie mache keinen ordentlichen Job mehr und setze sich nicht ausreichend für den Arbeitsschutz im Betrieb ein. Der Arbeitgeber teilt diese Einschätzung nicht. Der Betriebsrat ruft daher die Einigungsstelle an. Er ist der Meinung, er habe ein Initiativrecht für die Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit.

Das sagt das Gericht

Das Gericht verweigert dem Betriebsrat ein Initiativrecht bei der Abberufung für die Sicherheitsfachkraft. Dies, obwohl wichtige Stimmen in der Literatur (s.u.) und der Rechtsprechung hier ein Initiativrecht des Betriebsrats annehmen.

Das LAG argumentiert: Für den Fall der Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit sehe das Gesetz (§ 9 Arbeitssicherheitsgesetz) nur die »Zustimmung« des Betriebsrats vor. Eine solche setze eine Maßnahme des Arbeitgebers voraus, sonst kann der Betriebsrat nicht zustimmen. Daraus schließt das LAG, dass ohne Vorgabe des Arbeitgebers der Betriebsrat nicht handeln kann. Ist die Fachkraft freiberuflich tätig, reiche sogar die Anhörung. Fazit: das Mitbestimmungsrecht soll hier kein Initiativrecht umfassen.

Viele Stimmen sind allerdings für ein Initiativrecht zur Abberufung:

  • Richardi ist der Meinung, dass eine Fachkraft für Arbeitssicherheit das Vertrauen des Betriebsrats besitzen muss. Er sieht im Gesetz eine Regelungslücke, die dahin geschlossen werden müsse, dass dem Betriebsrat ein Initiativrecht bei der Abberufung zustehen müsse, wenn er die Eignung oder Kooperationsbereitschaft der Fachkraft für Arbeitssicherheit bestreite (BetrVG 2018, § 87 Rn. 599).
  • Fitting vertritt ebenfalls die Auffassung, nach Sinn und Zweck der Bestimmung müsse davon ausgegangen werden, dass ein Initiativrecht des Betriebsrats für die Abberufung eines ungeeigneten Betriebsarztes bzw. einer Fachkraft für Arbeitssicherheit bestehe (BetrVG 29. Auflage 2018, § 87 Rn. 321)
  • Klebe gesteht dem Betriebsrat ebenfalls ein umfassendes Initiativrecht für die Bestellung und die Abberufung zu.
  • Auch das Landesarbeitsgericht Hamm ist in einem Beschluss vom 7.1.2008 (10 TaBV 125/07) in Bezug auf einen Betriebsarzt davon ausgegangen (Rz. 32), dass in den Fällen, in denen sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf die Anstellung eines Betriebsarztes durch Arbeitsvertrag geeinigt haben, der Betriebsrat bei der Abberufung des jeweiligen Betriebsarztes mitzubestimmen habe.

Das müssen Betriebs- und Personalräte beachten:

Unternehmer müssen Betriebsärzte und Sicherheitsfachkräfte bestellen. Im öffentlichen Dienst gilt die Vorgabe indirekt. Bei der Bestellung und bei der Abberufung dieser Sicherheitsfachkräfte haben Betriebs- und Personalräte umfassende Mitbestimmungsrechte (nach § 9 ASiG), sofern diese Personen im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses tätig werden sollen.

Sind sie freiberuflich tätig, so müssen die Interessenvertreter nur angehört werden. Die Mitbestimmung ist wichtig, da Sicherheitsfachkräfte und Betriebsärzte eng mit den Interessenvertretern zusammen arbeiten und diese über ihre Aktivitäten unterrichten müssen – und zwar auch gegen den Willen des Arbeitgebers. Daher müssten eigentlich Betriebsrat auch die Abberufung initiieren können.

© bund-verlag.de (fro)

Quelle

LAG Berlin-Brandenburg (05.11.2019)
Aktenzeichen 7 TaBV 1728/19
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