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Mitbestimmen bei Führungszeugnissen

15. April 2019
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Quelle: Dmitriy K._Dollarphotoclub

Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat beteiligen, bevor er Führungszeugnisse der Mitarbeiter anfordern und einsehen kann. Auch wenn das Gesetz die Überprüfung anordnet, hat der Betriebsrat bei der Einsichtnahme mitzubestimmen. Von Bettina Krämer.

Eine gemeinnützige GmbH beschäftigte mehrere hundert Arbeitnehmer im Bereich Kindertageseinrichtung, Altenheime, Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Wohnangeboten. Sie beabsichtigte alle Arbeitnehmer aufzufordern, ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorzulegen. Dazu sieht sie sich als Trägerin sozialer Einrichtungen verpflichtet nach § 75 Abs. 2 Satz 4 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Arbeitgeberin ordnet Abgabe von Führungszeugnissen an

Hierüber informierte sie den Betriebsrat und legte ihm einen Entwurf einer Betriebsvereinbarung hierzu vor. Arbeitgeberin und Betriebsrat stritten sich über die Formulierungen, so dass die Arbeitgeberin irgendwann einfach alle Beschäftigten anschrieb und zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses aufforderte.

Dies wollte der Betriebsrat nicht hinnehmen und klagte im Eilrechtsschutz. Er wollte dass die Arbeitgeberin nicht weiter das Führungszeugnis einfordert, bis der Betriebsrat dieser Maßnahme zugestimmt hat oder durch einen Spruch der Einigungsstelle ersetzt ist. Die Arbeitgeberin meinte, sie müsse die Arbeitnehmer gesetzlich hierzu auffordern, der Betriebsrat habe kein Mitbestimmungsrecht. § 75 Abs. 2 SGB XII sei eine Mussvorschrift. Der Betriebsrat gewann das Verfahren vor dem Arbeitsgericht und die Arbeitgeberin musste aufhören, das Führungszeugnis von den Arbeitnehmern einzufordern.

Gericht bejaht Mitbestimmungsrecht

Zugunsten des Betriebsrates sah das Arbeitsgericht (ArbG) Bielefeld § 75 Abs. 2 S. 4 SGB XII nicht als eine Mussvorschrift an. Nach dem Wortlaut des Paragrafen »soll« der Träger die Vorlage eines Führungszeugnisses verlangen, so dass das Gesetz nicht jegliches Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in dieser Frage ausschaltet. Das Gericht sah einen betrieblichen Regelungsspielraum, d. h. die Betriebsparteien können regeln, wann, wie, ob und von wem ein Führungszeugnis vorzulegen ist. Weil die Vorlage eines Führungszeugnisses das Persönlichkeitsrecht des jeweiligen Arbeitnehmers tangiert, ist auch das betriebliche Ordnungsverhalten betroffen. Damit ist der Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ausgelöst.

Der Betriebsrat musste auch nicht hinnehmen, dass der Arbeitgeber Einblick in die unter Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte erhaltenen Führungszeugnisse nimmt. Denn damit wären endgültige Fakten gesetzt worden. Der Betriebsrat hätte damit keinerlei Möglichkeiten mehr, im Rahmen seiner Mitbestimmungsrechte auf das Verhalten der Arbeitgeberin Einfluss zu nehmen. Aus diesen Gründen hatte der Eilrechtsschutz des Betriebsrates Erfolg.

Hintergrund: Führungszeugnis im Betrieb

Im Rahmen des § 30a Bundeszentralregistergesetz (BZRG) können Arbeitgeber sich erweiterte Führungszeugnisse zur Mitarbeiterkontrolle vorlegen lassen. Nach § 30a BZRG wird ein erweitertes Führungszeugnis erteilt, wenn es aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung vorgesehen ist oder für eine berufliche oder ehrenamtliche Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger oder für eine Tätigkeit die in vergleichbarer Weise geeignet ist, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen, benötigt wird. Zum präventiven Schutz der persönlichen und sexuellen Selbstbestimmung behinderter Menschen soll auch ein erweitertes Führungszeugnisvorgelegt werden.

Eine Bestimmung gilt für die Träger von Einrichtungen der Sozialhilfe (§ 75 Abs. 2 SGB IX): Sie dürfen nur Personen beschäftigen oder Ehrenamtliche mit Aufgaben betrauen, die nicht wegen bestimmter Straftaten verurteilt worden sind (§ 75 Abs. 2 Satz 4 SGB IX). Dazu gehören Familien- oder Sexualdelikte (§ 171, §§ 174 bis 184g StGB), Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 StGB), Menschenraub, Menschenhandel und Ausbeutung (§§ 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 StGB). Dies »soll« der Träger vor der Einstellung und in regelmäßigen Abständen überprüfen, indem er ein Führungszeugnis nach § 30 a Abs. 1 BZRG einholt und die Information in einer gesetzlich bestimmten Weise speichert (§ 75 Abs. 2 SGB XII).

Tatsächlich ist dies auch sinnvoll, denn damit kann der Arbeitgeber überprüfen, ob ggf. auch sexualstrafrechtliche Verurteilungen im niedrigen Ausmaß vorliegen. Denn nicht jede Verurteilung wird in das einfache Führungszeugnis aufgenommen.

Weitere Beispiele für die Führungszeugnispflicht

Im Rahmen der katholischen Kirche bestehen auch solche Vorlageverpflichtungen. Auch bei Finanzdienstleistungsinstituten spielt das polizeiliches Führungszeugnis zur Gewährleistung der Zuverlässigkeit gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3 Geldwäschegesetz eine Rolle. Das Hessische LAG hatte hierzu entschieden: Bei einer Aufforderung an die Arbeitnehmer eines Finanzdienstleistungsinstitutes, alle zwei Jahre ein polizeiliches Führungszeugnis zur Gewährleistung der Zuverlässigkeit nach Geldwäschegesetz vorzulegen, wird das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ausgelöst.  (LAG Hessen 2.11.2006 – 5 TaBVGa 196/06).

Auch im Rahmen der Leistungen zur Eingliederungshilfe nach § 124 Abs. 2 SGB IX liegt eine Soll- Führungszeugnisvorschrift vor. Hiernach sollen nur geeignete Leistungserbringer haben zur Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe beschäftigt werden. Eine Verurteilung wegen Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung u.a. schließt die Geeignetheit aus. Auch im Rahmen dieser personellen Auswahl, wird die betriebliche Mitbestimmung wichtig.

Auswirkungen auf die Praxis

Da es um Beschäftigte und Ehrenamtliche geht, die in sozialen Einrichtungen Umgang mit Kindern und Menschen mit Behinderung haben, ist das Sicherheitsbedürfnis der Betroffenen mit Recht groß, auch bezüglich Vorstrafen wegen Sexualdelikten.

Dennoch ist der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer auf das zulässige Maß zu beschränken. Aus diesem Grund ist im Betrieb vor allem darauf zu achten, wer ein Zeugnis vorlegen muss, wie diese Informationen gespeichert werden, Aufbewahrungsfristen in der Personalakte (Löschfristen), wer Einblick in die Personalakten nehmen kann und wer nicht und wie die Verantwortlichen den Zugriff durch Unbefugte verhindern.

Bettina Krämer, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

ArbG Bielefeld (01.08.2017)
Aktenzeichen 5 BVGa 10/17
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 16.4.2019.
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