Mobbing

Mobbing erkennen und handeln

19. April 2021 Mobbing
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Quelle: Peggy Blume_Dollarphotoclub

Schikane, Isolation, Diffamierung: Mobbing hat viele Gesichter. Es kann die Gesundheit und den Arbeitsplatz gefährden. Interessenvertretungen müssen wissen: Was genau ist Mobbing? Wo liegen die Ursachen? Welche Rechte und Pflichten haben Arbeitgeber? Das klären drei Fachbeiträge in der Zeitschrift »Gute Arbeit« 4/2021.

Der Fachbuchautor und Experte Dr. Martin Wolmerath betont, dass kein Arbeitgeber Mobbing tolerieren oder gar akzeptieren dürfe. Der Psychoterror am Arbeitsplatz sei inzwischen seit gut 30 Jahren ein anerkanntes Problem in der Arbeitswelt, das größtmögliche Sensibilität und Aufmerksamkeit erfordere. Alle betrieblichen Akteure, auch der Arbeits- und Gesundheitsschutz, seien sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Dienst gefordert, dem Mobbing Einhalt zu gebieten.

Was genau ist »Mobbing«?

Wolmerath stellt klar: Alle Formen der psychosozialen Belastung am Arbeitsplatz sind mit der Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln, zu missbilligen und zu bekämpfen. Aber nicht jeder Konflikt bei der Arbeit ist Mobbing. Zur präzisen Einschätzung einer betrieblichen Problemlage bietet sein Beitrag klare Kriterien:

  • Es geht um ein Geschehen (Prozess), in dem sich destruktive Mobbinghandlungen unterschiedlicher Art wiederholt und über einen längeren Zeitraum gegen Einzelne richten
  • Betroffene werden gezielt beeinträchtigt und psychisch verletzt
  • der ungebremste Verlauf führt zu einer Schädigung der psychischen Befindlichkeit und der allgemeinen Gesundheit, die Isolation und Ausgrenzung am Arbeitsplatz nehmen zu
  • es schwinden die Chancen auf eine zufriedenstellende Lösung, oft bewirkt dies den Verlust oder die Aufgabe des bisherigen beruflichen Wirkungsbereichs.

Beschäftigte werden in die Kapitulation getrieben

Um die Beschäftigten aus dieser Stress- und Gewaltspierale zu lösen, muss der Arbeitgeber einschreiten. Professor Kerstin Feldhoff präzisiert in einem Beitrag die Rechtspflichten des Arbeitgebers: Er hat u.a. die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für die physische und psychische Gesundheit möglichst vermieden wird (§§ 3,4 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz). Diese Verpflichtung werde von der Rechtsprechung auch bei Maßnahmen gegen Mobbing betont.

Die betriebliche Praxis zeige, so Feldhoff, dass Betroffene selten von sich aus im Arbeitsverhältnis den Rechtsweg beschreiten und Mobber*innen auf Unterlassung oder Schmerzensgeld verklagen. Stets sei zu empfehlen, dass Betriebsräte über das Thema offen informierten, Beratung anbieten oder als Lotsen an Beratungsstellen und Gewerkschaften verweisen. Die Interessenvertretungen (auch die Schwerbehindertenvertretung) und die entsprechenden Akteure in Unternehmen oder Verwaltungen sollten sich einschlägige Fachbücher zulegen und an Schulungen zur Mobbingproblematik teilnehmen (nach § 37 Abs. 6 Betriebsverfassungsgesetz bzw. § 46 Abs. 6 Bundespersonalvertretungsgesetz).

Praxiserfahrungen mit Mobbing

Ein Interview mit Christian Gojowczyk (Expert:innenbeirat Konflikthotline Baden-Württemberg) leuchtet die Situation der Mobbing-Opfer und die Arbeit von Beratungsstellen aus. Gojowczyk betont: »Unternehmen und Verwaltungen sind in der Regel hierarchisch organisierte Organisationen. Heikel wird es, wenn top-down Mobbing als Konfliktlösungsmechanismus gilt: Machtausübung in Form psychischer Gewalt wird als notwendig erachtet. (…). Das ist ein gefährlicher Irrweg. Somit ist Mobbing auch ein Indiz für Führungsversagen, für schwache Vorgesetzte. (…) Ein Konflikt entfernt sich von der Sachebene, Probleme im Unternehmen werden nicht gelöst, wer sie anspricht wird bestraft (…).«

Und Gojowczyk an anderer Stelle weiter: »Wir haben es in über 100 Jahren akzeptiert, dass Maschinen sicher sein müssen und Beschäftigten keine Arme ausreißen dürfen. Nun müssen wir alles daransetzen, dass Menschen bei der Arbeit auch keine psychische Gewalt angetan werden darf.« Die Werkzeuge, das Arbeitsschutzrecht, seien endlich konsequent am einzelnen Arbeitsplatz zu nutzen: vor allem die Gefährdungsbeurteilung nach Arbeitsschutzgesetz inklusive der psychischen Belastungen. Zudem müsse die Arbeitsschutzaufsicht in den Bundesländern effektiv kontrollieren, dass das Arbeitsschutzrecht auch konsequent umgesetzt wird.

Weitere Informationen

Das Titelthema »Mobbing – Gegen Psychoterror am Arbeitsplatz« in »Gute Arbeit« 4/2021 lesen (S. 8-22):

  • Dr. Martin Wolmerath: »Mobbing: Erkennen und handeln« (S. 8-13).
  • Prof. Dr. Kerstin Feldhoff: »Schutzpflichten des Arbeitgebers« (S. 18-22).
  • Interview mit Christian Gojowczyk: »Mobbing ist psychische Gewalt am Arbeitsplatz« (S. 14-17).

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