Kündigungsschutz

Rechtskraft schützt Arbeitsvertrag vor Anfechtung

11. März 2021
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Quelle: © Fontanis / Foto Dollar Club

Eine rechtskräftige Entscheidung in einem Kündigungsschutzverfahren, in der das Gericht feststellt, dass ein Arbeitsverhältnis fortbestehe, verhindert, dass dieses Arbeitsverhältnis im Anschluss durch Anfechtung des Arbeitsvertrages beseitigt wird. Das hat das BAG klargestellt.

Das war der Fall

In dem Rechtsreit ging es – nach mehreren Kündigungen und einer Anfechtung – um die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis beendet worden war. Die Arbeitgeberin hatte dem Kläger aus betriebsbedingten Gründen mit Schreiben vom 6. Mai 2015 zum 20. Mai 2015 und erneut mit Schreiben vom 24. Juni 2015 zum 30. September 2015 gekündigt. Das ArbG Stuttgart erklärte die Kündigungen für unwirksam, das LAG Baden-Württemberg bestätigte dieses Urteil in der Berufung bezüglich der zweiten Kündigung (Urteil vom 8. Februar 2017, Az.: 2 Sa 35/16).

Weil im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens zahlreiche Ungereimtheiten hinsichtlich des Lebenslaufs des Klägers sowie der Angaben zu seiner Person (inklusive Vorstrafen) aufgetreten waren, unternahm das Unternehmen Nachforschungen und erklärte schließlich die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung.  

Das sagt das Gericht

Diese Anfechtung kassierte das BAG: Selbst wenn sie materiell einer Überprüfung Stand halten würde, stehe die Rechtskraft einer erfolgreichen Anfechtung entgegen. Denn im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses hat das ArbG Stuttgart rechtskräftig entschieden, dass weder die Kündigung vom 24. Februar 2017 noch die Kündigung vom 3. Mai 2017 das Arbeitsverhältnis und auch kein Auflösungsvertrage oder hilfsweise erklärte außerordentliche Kündigungen das Arbeitsverhältnis beendet haben. Der am 27. April 2017 erklärte Anfechtung und die damit angestrebte Nichtigkeit der Willenserklärung steht entgegen, dass rechtskräftig festgestellt wurde, dass zum Zeitpunkt der Anfechtung ein Arbeitsverhältnis bestanden hat

Das BAG stellt klar: Die gesetzliche Wertung, wonach die angefochtene Erklärung im Wege der Fiktion endgültig und grundsätzlich mit Wirkung für die Vergangenheit (ex tunc) kassiert werde laufe ins Leere, weil feststeht, dass immer noch ein Arbeitsverhältnis bestehe. Der mit der Anfechtung eigentlich angegriffene Mangel der Willenserklärung zum Vertragsschluss könne nun nicht mehr beseitigt und die Rechtslage nicht mehr korrigiert werden.

Das muss die Interessenvertretung wissen

Spannend ist in diesem Fall der »Wettlauf« der Maßnahmen, die erreichen sollen, dass der Mitarbeiter vor die Tür gesetzt werden kann. Die Anfechtung wegen der arglistigen Täuschung wäre eine erfolgversprechende Möglichkeit, die hier aber nicht mehr greifen kann, nachdem gerichtlich rechtskräftig festgestellt wurde, dass ein Arbeitsverhältnis besteht – welches ja gerade durch die Anfechtung beseitigt werden sollte. Es lohnt sich im Rahmen einer geplanten Kündigung also immer, alle Umstände genau zu prüfen – möglicherweise bewirkt eine voreilige Kündigung das Gegenteil der gewünschten Rechtsfolge.  

© bund-verlag.de (mst)

Quelle

BAG (18.02.2021)
Aktenzeichen 6 AZR 92/19
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