Sonderkündigungsschutz

Verdachtskündigung von Betriebsräten geht oft fehl

05. November 2018
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Quelle: © S. Engels / Foto Dollar Club

Betriebsratsmitglieder genießen Kündigungsschutz. Nur außerordentliche Kündigungen sind bei schwerwiegenden Gründen möglich. Die Verdachtskündigung unterliegt extrem hohen Anforderungen. Die Pflichtverletzung muss fast erwiesen sein. Der Arbeitgeber muss vor allem die entlastenden Indizien würdigen – so nun das LAG-Mecklenburg-Vorpommern.

Es geht um den häufig schwierigen Fall der Verdachtskündigung eines Betriebsratsmitglieds. Der Betriebsrat verweigert die für die Kündigung notwendige Zustimmung.

Das war der Fall

Einer Oberärztin, die zugleich Betriebsratsmitglied war, wird vorgeworfen, mehrere Patientenakten und sonstige wichtige dienstliche Unterlagen in einer Altpapiertonne vorschriftswidrig entsorgt zu haben. Das Krankenhaus, als Arbeitgeber, hat der Ärztin wegen schwerwiegender Vertragsverletzung außerordentlich gekündigt. Da sie Betriebsratsmitglied war, ist für die Kündigung die Zustimmung des Betriebsrats notwendig (§ 103 BetrVG). Dieser verweigert diese, daher will der Arbeitgeber die Zustimmung gerichtlich ersetzen lassen.

Das sagt das Gericht

Als Betriebsratsmitglied unterliegt die Oberärztin einem Sonder-Kündigungsschutz. Eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung ist unzulässig (§ 15 KSchG). Eine außerordentliche Kündigung ist bei Vorliegen eines schwerwiegenden Grundes (§ 626 BGB) zwar möglich, verlangt aber eben die Zustimmung des Betriebsratsgremiums. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG kann nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch der bloße Verdacht einer Verfehlung einen wichtigen Grund (i.S. des § 626 BGB) darstellen.

Allerdings sind in einem solchen Falle einer Verdachtskündigung die Anforderungen extrem hoch. Hier sah das Gericht den Verdacht gegen die Ärztin, vertrauliche Patientenunterlagen in einer Papiertonne vorschriftswidrig entsorgt zu haben, nicht als ausreichend begründet ans. Vor allem habe – so die Richter - die Arbeitgeberin nicht in ausreichendem Maße die entlastenden Indizien gewürdigt hat. Es sei durchaus möglich, dass die Unterlagen auch in anderer Form in die Tonne gelangt sind. Dies sah das Gericht vor allem, da der dem Verdacht zugrundeliegende Sachverhalt eine sehr lange Zeit zurücklag. .

Das müssen Sie beachten

Verdachtskündigungen gegen Betriebsratsmitglieder sind häufig. Arbeitgeber versuchen, auf die Art und Weise unliebsame Betriebsratsmitglieder loszuwerden. Allerdings kommt den Betriebsratsmitgliedern zu Gute, dass die Gerichte hier extrem streng sind. Fristlose Verdachtskündigungen lassen sie  – unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - nur unter sehr engen Voraussetzungen zu. Selbst eine hohe Wahrscheinlichkeit einer gravierenden Pflichtverletzung ist hierfür in aller Regel nicht ausreichend. Es muss schon fast erwiesen sein, dass der Betriebsrat die Straftat oder Pflichtverletzung begangen hat.

© bund-verlag.de (fro)

Quelle

LAG Mecklenburg-Vorpommern (10.07.2018)
Aktenzeichen 2 TaBV 1/18
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