Mitbestimmung

Zuständig bei Mitarbeiterbefragung

26. März 2018
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Quelle: Andrey Popov_Dollarphotoclub

Für eine konzernweite Umfrage unter den Beschäftigten ist nicht der örtliche Betriebsrat zuständig, sondern der Konzernbetriebsrat. Eine freiwillige und anonyme Mitarbeiterbefragung unterliegt insgesamt nicht der Mitbestimmung.

In diesem Beschlussverfahren stritten Betriebsrat und Arbeitgeber um die Frage der Mitbestimmung im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung. Der Arbeitgeber betrieb eine Klinik, bei der ein örtlicher Betriebsrat gebildet war. Die Klinik wiederum war die Tochtergesellschaft einer Konzernobergesellschaft, bei der ein Konzernbetriebsrat gebildet war.

Nach einem Vorstandsbeschluss der Konzernobergesellschaft wurde im Jahr 2015 wie auch schon mehrmals zuvor eine konzernweite Mitarbeiterbefragung durchgeführt.

Umfrage zur Mitarbeiterzufriedenheit

Die Befragung erfolgte in Papierform, war freiwillig und anonymisiert. Es sollten keine Rückschlüsse auf Beschäftigtengruppen mit weniger als 10 Mitarbeitern möglich sein. Nicht der Arbeitgeber selbst sondern ein Dienstleister führte die Befragung durch. Der Arbeitgeber erhielt lediglich zusammengefasste Ergebnisse, keine Rohdaten.

Mit der Befragung wollte der Arbeitgeber die Mitarbeiterzufriedenheit ermitteln. Dabei fragte er Meinungen zur Führungskultur und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf ab.

Den Betriebsrat beteiligte der Arbeitgeber nicht an der Mitarbeiterbefragung. Der Betriebsrat erwirkte daraufhin zunächst eine einstweilige Verfügung vor dem Arbeitsgericht. Der Arbeitgeber sollte die Konzernobergesellschaft anweisen, die Befragung zu unterlassen, solange nicht die Zustimmung des Betriebsrats eingeholt worden wäre.

BAG hebt Entscheidungen auf

In der anschließenden Verhandlung der Hauptsache war der Betriebsrat sowohl in erster als auch in zweiter Instanz erfolgreich (zuletzt LAG Hamburg, 14.6.2016 - 2 TaBV 2/16). Das Bundesarbeitsgericht hat diese Entscheidungen jedoch aufgehoben.

Das BAG sah ein Problem darin, dass die Mitarbeiterbefragung keine Maßnahme des Arbeitgebers (des Tochterunternehmens) sondern der Konzernobergesellschaft war. Der Betriebsrat verlangte eine Anweisung der Tochtergesellschaft gegenüber der Konzernobergesellschaft, die Befragung zu unterlassen. Das Betriebsverfassungsrecht gewährt aber keinen derartigen Anspruch.

Einen Unterlassungsanspruch gegenüber der Konzernleitung hätte demnach wohl allenfalls vom Konzernbetriebsrat geltend gemacht werden können.

Grundsätzlich keine Mitbestimmung

Sodann stellte das BAG jedoch darüber hinaus fest, dass die Befragung grundsätzlich nicht mitbestimmungspflichtig sei. Ein Mitbestimmungsrecht folge weder aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG noch nach § 94 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften. Hierunter fällt insbesondere eine Gefährdungsbeurteilung im Rahmen des Arbeitsschutzes.

Die geplante Befragung erfüllte diese Anforderungen nicht, weil wegen des Konzernbezugs keine Rückschlüsse auf die Arbeitsbedingungen im Betrieb des Betriebsrates möglich waren. Im Übrigen stand die Freiwilligkeit der Umfrage einer mitbestimmungspflichtigen Gefährdungsbeurteilung entgegen.

Nach § 94 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bedürfen Personalfragebogen der Zustimmung des Betriebsrats. Die Regelung dient dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer. Wegen der Anonymisierung und der Freiwilligkeit lagen aber nach Ansicht des BAG auch die Voraussetzungen eines Personalfragebogens nicht vor. Die Mitarbeiter konnten letztlich selbst bestimmen, ob sie persönliche Daten preisgeben oder nicht.

Frühere Instanzen entschieden anders

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamburg hingegen diente die Mitarbeiterbefragung zumindest mittelbar eben doch dem Gesundheitsschutz (LAG Hamburg 14.6.2016 - 2 TaBV 2/16). Selbst wenn einzelne Fragen keinen derartigen Bezug hätten, so müsse der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht so lange ausüben dürfen, wie ein unauflösbarer Zusammenhang mit gesundheits- und arbeitsschutzbezogenen Fragen bestehe.

Der Konzernbetriebsrat sei in diesem Fall nicht zuständig, weil die Fragen an die Mitarbeiter betriebsbezogen formuliert seien.

Praxishinweise

In Konzernstrukturen wird mit dieser Entscheidung der Handlungsspielraum örtlicher Betriebsräte beschränkt. Sie können sich nur über den Konzernbetriebsrat Gehör verschaffen. Ähnliches gilt, wenn ein Gesamtbetriebsrat im Unternehmen besteht.

Bei allen Mitarbeiterbefragungen muss aber weiterhin sorgsam die Art der Befragung geprüft werden. Sobald eine Maßnahme des Gesundheitsschutzes naheliegt, sollten Mitbestimmungsrechte eingefordert werden. Wie die gegenteilige Auffassung der Instanzgerichte zeigt, sind hier unterschiedliche Meinungen nicht ausgeschlossen. Das LAG Hamburg hatte es als ausreichend angesehen, dass einzelne Fragen sich direkt oder indirekt auf gesundheitsrelevante Faktoren an den konkreten Arbeitsplätzen beziehen.

Auch auf die erhobenen Daten und die daraus eventuell möglichen Rückschlüsse auf Abteilungen oder gar einzelne Beschäftigte ist ein Augenmerk zu legen. Bei einer Identifizierbarkeit der Beschäftigten oder kleinerer Beschäftigtengruppen kann von anonymisierten Datenerhebung keine Rede mehr sein.

Matthias Beckmann, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

BAG (21.11.2017)
Aktenzeichen 1 ABR 47/16
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 4.4.2018.
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