Interview

30 Jahre Internet – das sagt der Experte

17. April 2019 Internet
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Quelle: pixabay

Das Internet wurde gerade 30 Jahre alt. Die Fachzeitschrift »Computer und Arbeit« 4/2019 hat bei Prof. Dr. Wolfgang Däubler nachgefragt, ob es aus dem Gröbsten raus oder in der Trotzphase steckengeblieben ist.

Wurde das Internet zu Beginn noch als Hype abgetan, können sich viele mittlerweile ein Leben ohne nicht mehr vorstellen. Es vernetzt die Welt. Ist es auf einem guten Weg?

Wolfgang Däubler:

Diese Frage lässt sich nicht einfach beantworten. Das Internet hat seine guten Seiten: Ich kann mich weltweit informieren und auch solche Zeitungen lesen, die es am Kiosk nicht zu kaufen gibt. Ich kann Musik hören, für die ich mir früher eine Schallplatte hätte kaufen müssen. Ich kann einen Schulkameraden »googeln«, wenn ich wissen will, was aus ihm geworden ist. Und wer will, kann bei Facebook an Freunde oder weit darüber hinaus mitteilen, was mitteilenswert erscheint. Früher hätte man allenfalls beim Nachbarn oder am Stammtisch etwas Aufmerksamkeit gefunden.

Das Internet hat auch seine schlechten Seiten. Manche lässt es nicht mehr los – wie eine Droge, die man jeden Tag braucht. Dieses Phänomen findet sich nicht nur bei Jugendlichen, sondern auch bei Erwachsenen – man nennt sie dann »Workaholics«. Die virtuelle Welt vertreibt bei ihnen immer mehr die Wirklichkeit. Im Internet hinterlässt man Spuren, die sorgsam ausgewertet werden. Wer ein Buch kauft, bekommt lange Zeit ähnliche Angebote; das lässt sich ertragen. Nur: Gibt es vielleicht eine zentrale Stelle, die genau vermerkt, welche Art von Büchern und Musik jemand kauft und wie er sich in sozialen Netzwerken zum Zeitgeschehen äußert? Da kann man schnell zur »Risikoperson« werden, die kein Visum mehr für die USA bekommt. Damit könnte ich gut leben, ja ein bisschen würde ich das sogar als Anerkennung empfinden. Nur: Was geschieht, wenn ich gerne eine Stelle bekommen würde und der Personalleiter hat Zugang zu solchen Informationen? Das könnte recht ungemütliche Folgen haben.

Das Internet ermöglicht eine neue Art des Arbeitens. Alles wird mobiler. Und besser?

Wolfgang Däubler:

In der Tat, alles wird mobiler. Man kann auch spät abends, in der Bahn oder auf dem Flughafen seine Arbeit erledigen. Das könnte ein Fortschritt sein, aber nur unter einer Bedingung: Man kann seine Arbeit wirklich in 38 oder 40 Stunden pro Woche bewältigen. Ein solches Pensum lässt sich einteilen, und man arbeitet dann, wenn man motiviert und ungestört ist. Nur sieht die Wirklichkeit anders aus: Das, was man in den 38 oder 40 Stunden im Büro nicht erledigen konnte, wird auf der Fahrt oder zu Hause nachgeholt. Meist handelt es sich um Überstunden, die nie im Zeiterfassungssystem auftauchen. Man schenkt also notgedrungen dem Arbeitgeber regelmäßig einige Zeit; auch mit Dankbarkeit kann man nicht unbedingt rechnen.

Die Arbeitswelt wird digital. Was ist, wenn einer den Stecker zieht? Wird die Abhängigkeit vom Internet zu groß? Wo steht es in zehn Jahren?

Wolfgang Däubler:

Bisher hat noch keiner wirklich den Stecker gezogen. Aber technisch möglich ist es: Hacker könnten dafür sorgen, dass wir keinen Strom, kein Wasser und kein Gas mehr bekommen. Wir würden da sehr schnell auf dem Trockenen sitzen und wären zunächst ziemlich hilflos. Deshalb ist die IT-Sicherheit eine ganz wichtige Sache, auf die man bisher zu wenig geachtet hat. Aber wenn sie versagt: Eine gute Solaranlage auf dem Dach und eine leistungsfähige Batterie im Keller wären ein wichtiges Stück Selbsthilfe. Und daneben hilft ein Stück Bescheidenheit. Die Älteren wissen, wie man in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg gelebt hat; so ähnlich wäre das jetzt auch wieder.

Was geschieht in zehn Jahren? Da kann viel passieren. Der Benziner, den man selbst steuert, wird seiner Seltenheit wegen Aufmerksamkeit erregen. Das Wetter spielt immer öfters verrückt. Wer Karriere machen will, müht sich mit chinesischen Schriftzeichen ab; der neueste Schlager beginnt mit »ni hao«. Man diskutiert, ob man an den EU-Außengrenzen eine Mauer bauen soll. Manche haben Angst vor dieser Art Zukunft – ich verstehe das. Aber wie wäre es, wenn wir uns in unsere eigenen Angelegenheiten einmischen würden? Auch Zukunft kann beeinflusst, vielleicht sogar gestaltet werden.

Mehr lesen Sie im Magazin der »Computer und Arbeit« 4/2019, S. 6 f. Hier gehts zur aktuellen Ausgabe.

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Der Interviewpartner:

Daeubler_Wolfgang_neuDr. Wolfgang Däubler

Professor für Deutsches und Europäisches Arbeitsrecht, Bürgerliches und Wirtschaftsrecht an der Universität Bremen. Er ist einer der bekanntesten Arbeitsrechtler.

 

 

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