Arbeitskleidung

BAG: Umkleidezeit ist Arbeitszeit

19. Oktober 2018
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Quelle: industrieblick_Dollarphotoclub

Die Zeit für das Umkleiden gehört zur Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen auffälliger Dienstkleidung verlangt, etwa eine Uniform in einem Unternehmen für Geld- und Werttransporte. Das An- und Ausziehen muss bezahlt werden. Von Margit Körlings.

Der Arbeitgeber betreibt ein Unternehmen im Bereich Geld- und Werttransporte. Er stellt die Dienstkleidung unentgeltlich zur Verfügung. Die Arbeitnehmer sind verpflichtet sie zu tragen. Auf das Arbeitsverhältnis finden Anwendung:

  • der Tarifvertrag »Geld- und Wertdienste« der Bundesrepublik Deutschland«. Danach beginnt die Arbeitszeit im jeweiligen Geldbearbeitungszentrum.
  • der »Tarifvertrag für Geld- und Werttransporte in Berlin-Brandenburg«. Darin heißt es, die Arbeitszeit beginnt mit der Aufnahme der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder mit Übergabe der Arbeitsmittel. Der Dienst endet entsprechend der Dienstanweisung oder mit Rückgabe der Arbeitsmittel.

Die Arbeitnehmerin ist in der Geldbearbeitung beschäftigt. Ihr Arbeitsplatz liegt in der obersten Etage des Gebäudes. Sie legt die Dienstkleidung in einem Umkleideraum im Untergeschoss an. Diese besteht aus Sicherheitsschuhen und einem schwarzen Poloshirt. Das Poloshirt zeigt auf Vorder- und Rückseite das Firmenlogo in gelber Schrift. Danach betätigt sie die Stempeluhr. Andere Arbeitnehmer tragen die Dienstkleidung auch auf dem Weg zur Arbeit und zurück nach Hause.

Die Arbeitnehmerin möchte die Umkleidezeit als Arbeitszeit bezahlt haben.

Vergütungspflichtige Arbeit

Ein Anspruch auf Vergütung setzt voraus, dass es sich bei der Tätigkeit um geschuldete Dienste handelt (§ 611 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch, kurz: BGB). »Arbeit«, die Leistung der versprochenen Dienste, ist jede Tätigkeit, die der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (BAG 6.9.2017 – 5 AZR 382/16, Rn. 12).

Vergütungspflichtig ist daher nicht nur die eigentliche Arbeitsleistung, sondern jede Tätigkeit, die der Arbeitgeber im Gegenzug für den Lohn verlangt und die mit der Arbeitsaufgabe oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt.


Auffällige Dienstkleidung ist fremdbestimmt

Dass ein Arbeitnehmer eine auffällige Dienstkleidung trägt, liegt regelmäßig nur im Interesse des Arbeitgebers. Das spricht für eine fremdbestimmte Handlung. Anders kann es sein, wenn es dem Arbeitnehmer ausdrücklich gestattet ist, eine an sich auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen. Entscheidet sich der Arbeitnehmer dafür, diese Kleidung zu Hause an- und auszuziehen, fehlt es folglich an der Fremdbestimmtheit.

Im hier entschiedenen Fall hat die Arbeitnehmerin sich wegen der besonderen Auffälligkeit der Dienstkleidung zum Umkleiden im Betrieb entschieden. Da der Arbeitgeber das Tragen der Dienstkleidung vorgeschrieben hat, gehört das Umziehen nach Ansicht des BAG zur Arbeitszeit, auch wenn andere Arbeitnehmer des Betriebs sich entschieden haben, sich zu Hause umzuziehen.

Die Umkleidezeit ist nach allgemeinen Grundsätzen an die persönliche Leistungsfähigkeit geknüpft. In Tarifverträgen kann eine Vergütungsregelung für Umkleidezeiten vereinbart werden. Dies war hier nicht der Fall. Es ist nicht näher bestimmt, was genau »Aufnahme der Tätigkeit« bedeutet. Beginn der Tätigkeit kann auch das Umkleiden sein.

Neue Prüfung der Umkleidedauer angeordnet

In diesem Verfahren hat das BAG ausdrücklich bestätigt, dass das Anlegen der Dienstkleidung Teil der vergütungspflichtigen Arbeitszeit ist. Allerdings muss das LAG Düsseldorf in einem neuen Verfahren prüfen, wieviel Arbeitszeit das Umkleiden der Arbeitnehmerin in Anspruch genommen hat. Davon hängt die Höhe ihres Zahlungsanspruchs ab.

Praxistipp:

Der Betriebsrat sollte versuchen, die Frage der Umkleidezeiten in einer Betriebsvereinbarung mit dem Arbeitgeber zu regeln. Solange es dazu keine Vereinbarung in einem Tarifvertrag gibt, liegt auch kein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vor. Eine Betriebsvereinbarung hat zudem den Vorteil, dass alle Beschäftigten gleich behandelt werden. Dann wird und es keinen Streit darüber geben, ob sich jemand langsamer oder schneller als der andere umzieht oder ob im Winter mehr Kleidungsstücke als im Sommer abgelegt werden.

Ein Anspruch auf bezahlte Umkleidezeit besteht nicht, wenn es dem Arbeitnehmer überlassen bleibt, ob er diese trägt oder nicht. Dann fehlt es an der Fremdbestimmtheit. 

Wer einen Vergütungsanspruch für Umkleidezeiten durchsetzen will, muss die im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag vereinbarten Ausschlussfristen beachten. Nach Ablauf der Verjährungsfrist von drei Jahren ist der Anspruch nicht mehr durchsetzbar (§ 195 BGB).

Margit Körlings, DGB Rechtsschutz GmbH.

Quelle

BAG (25.04.2018)
Aktenzeichen 5 AZR 245/17
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 24.10.2018.

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