Stellenausschreibung

Entschädigung für schwerbehinderte Bewerber wenn Meldung unterbleibt

26. November 2021
Bewerbung schreiben

Öffentliche Arbeitgeber müssen schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber zu Vorstellungsgesprächen einladen. Ein Entschädigungsanspruch von erfolglosen Bewerbern wegen Benachteiligung kann schon entstehen, wenn der Arbeitgeber eine für schwerbehinderte Menschen geeignete Stelle nicht der Arbeitsagentur gemeldet hat – so das Bundesarbeitsgericht.

Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte Landkreis in Sachsen verpflichtet ist, dem Kläger eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wegen einer Benachteiligung aufgrund seiner Schwerbehinderung zu zahlen.

Darum geht es

Im November 2017 veröffentlichte ein Landkreis in Sachsen über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit ein Stellenangebot. Zum 1. Februar 2018 sollte ein »Arbeitsplatz als Führungskraft« besetzt werden, nämlich die Stelle als »Amtsleiter/in Rechts- und Kommunalamt (Jurist/in)«.

Der Kläger war mit einem Grad der Behinderung /GdB) von 50 schwerbehindert und bewarb sich im November 2017 unter Angabe seiner Schwerbehinderung auf die Stelle. Seine Bewerbung blieb ohne Erfolg, auch zu einem Vorstellungsgespräch wurde er nicht eingeladen.

Nach Erhalt der Absage reichte der Kläger beim Landkreis eine Beschwerde nach § 13 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ein und machte geltend, wegen seiner Behinderung benachteiligt worden zu sein. Der Landkreis antwortete darauf nicht.

Mit seiner Klage verlangte der Bewerber vom beklagten Landkreis eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Er hat die Auffassung vertreten, der beklagte Landkreis habe ihn wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert. Unter anderem habe der Landkreis den freien Arbeitsplatz nicht gemäß § 165 Satz 1 SGB IX der zuständigen Agentur für Arbeit gemeldet und ihn, den Kläger, entgegen § 165 Satz 3 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, obwohl er nicht offensichtlich ungeeignet gewesen sei.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen (Sächsisches LAG, 11.3.2020 – 5 Sa 414/18).

Das sagt das Gericht

Vor dem Bundesarbeitsgericht hatte der Kläger Erfolg.

Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts hat der beklagte Landkreis den Kläger wegen der Schwerbehinderung benachteiligt und schuldet ihm deshalb die Zahlung einer angemessenen Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.

Veröffentlichung in Jobbörse ist nicht ausreichend

Der beklagte Landkreis hatte es entgegen § 165 Satz 1 SGB IX unterlassen, den ausgeschriebenen, mit schwerbehinderten Menschen besetzbaren Arbeitsplatz der zuständigen Agentur für Arbeit zu melden. Die Veröffentlichung des Stellenangebots über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit stellt keine Meldung iSv. § 165 Satz 1 SGB IX dar.

Das Unterlassen der Meldung begründet nach Auffassung des BAG schon für sich die Vermutung, dass der Kläger im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen der Schwerbehinderung nicht berücksichtigt und damit wegen der Schwerbehinderung benachteiligt wurde.

Nach Auffassung des BAG Danach kam es somit nicht mehr darauf an, ob weitere Verstöße gegen die zugunsten schwerbehinderter Menschen getroffenen Verfahrens- und/oder Förderpflichten vorlagen.

Ebenso dahinstehen konnte, ob die unterbliebene Antwort des Landkreises auf die Beschwerde des Klägers ein Indiz nach § 22 AGG für eine Benachteiligung des Klägers wegen der Schwerbehinderung sein konnte.

Hinweis für die Praxis

Gerade öffentliche Arbeitgeber stehen in der Pflicht, die Beschäftigung und Inklusion schwerbehinderter Menschen zu fördern. Darum treffen sie auch besondere Pflichten, die u.a. in § 165 SGB IX niedergelegt sind. Sie ergänzen die Pflichten, die alle, auch die privaten Arbeitgeber gegenüber schwerbehinderten Beschäftigten treffen (§ 164 SGB IX).

Öffentliche Dienststellen müssen nach § 165 SGB IX, wenn Arbeitsplätze frei werden oder neu geschaffen werden:

  • Intern prüfen, ob die Stellen mit schwerbehinderten Beschäftigten besetzt werden können
  • Wenn dies nicht möglich ist, die Stellen der Bundesagentur für Arbeit melden
  • Schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber zum Vorstellungsgespräch einladen, wenn diesen die fachliche Eignung nicht offensichtlich fehlt.

Der öffentliche Dienst muss seine Stellen nach dem Prinzip der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz) besetzen. Schwerbehinderten Bewerberinnen und Bewerber sollen durch § 165 SGB IX die Möglichkeit erhalten, sich persönlich vorzustellen, um eventuelle Zweifel oder Vorurteile wegen ihrer Eignung auszuräumen. Daher können Verstöße gegen die Einladungspflicht einen Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG nach sich ziehen.

Unser Lesetipp

»Vorstellen bei öffentlichen Arbeitgebern« von Rechtsanwältin Anna Gilsbach in der neuen Ausgabe 12/2021 von »Schwerbehindertenrecht und Inklusion«.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

BAG (25.11.2021)
Aktenzeichen 8 AZR 313/20
BAG Pressemitteilung vom 25.11.2021
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