Kindergeld

Familienleistungen auch für Kinder im EU-Ausland

15. Februar 2019
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Quelle: bluedesign_Dollarphotoclub

Das Kindergeld für im Ausland lebende Kinder von Bürgern anderer EU-Staaten ist politisch umstritten: Viele wollen es abschaffen oder kürzen. Dem steht allerdings das EU-Recht im Wege. Der Anspruch besteht – das bestätigt der Europäische Gerichtshof. Von Torsten Walter.

Rechtstreit in Irland: Leistungen für in Rumänien lebende Kinder?

Der Hohe Gerichtshof von Irland hat über die Klage eines seit 2003 in Irland wohnhaften, seit 2009 arbeitslosen rumänischen Staatsangehörigen, Herrn Bogatu, gegen den Minister für Soziale Sicherheit von Irland zu befinden. Herr Bogatu hat zwei Kinder, die in Rumänien wohnen. Im Februar 2009 beantragte er Familienleistungen. Für den Zeitraum vom 25.3.2010 bis 31.1.2013 wurde dieser Antrag abgewiesen. In diesem Zeitraum bezog Herr Bogatu eine beitragsunabhängige Leistung bei Arbeitslosigkeit. Begründet wurde dies damit, dass er in dieser Zeit in Irland weder eine Beschäftigung ausübte noch eine beitragsabhängige Leistung bezog. Gegen diese Entscheidung klagte Herr Bogatu.

Vorlage an den EuGH

Der Hohe Gerichtshof von Irland legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Sache zur Vorabentscheidung über die Frage vor, ob das Europarecht verlangt, dass eine Person, um Anspruch auf Familienleistungen für Familienangehörige in einem anderen Mitgliedstaat zu haben, entweder im zuständigen Mitgliedstaat (hier also Irland) als Arbeitnehmer tätig sein oder dort aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung eine Geldleistung beziehen muss. Zusätzlich fragt er noch, ob es erforderlich ist, dass der Anspruchsteller diese Geldleistung tatsächlich bezieht oder ob es ausreicht, dass ihm diese Geldleistung in Zukunft zusteht.

Antwort des EuGH: Anspruch auf Familienleistung besteht

Der EuGH antwortet: Für den Anspruch einer Person auf Familienleistungen im zuständigen Mitgliedstaat für ihre in einem anderen Mitgliedstaat lebenden Kinder muss diese Person in dem ersten Mitgliedstaat keine Beschäftigung ausüben oder dort aufgrund oder infolge einer Beschäftigung eine Geldleistung beziehen. Der EuGH leitet dies aus dem Kontext, der Zielsetzung und der geschichtlichen Entwicklung der Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Verordnung (EG) Nr. 883/2004) her.

Der EuGH geht damit über den Antrag seines Generalanwalts Mengozzi hinaus, der noch gemeint hatte, der Anspruch bestehe dann, wenn der Anspruchsteller sich in einer Beschäftigung oder gleichgestellten Situation befinde – ob das der Fall sei, müsse der vorlegende Gerichtshof beurteilen.

Folgen für die rechtspolitische Diskussion

Das EuGH-Urteil gilt nicht nur für Irland, sondern für alle EU-Staaten, also auch für Deutschland. Vor allem seit für Rumänien und Bulgarien die Freizügigkeitsregeln der EU uneingeschränkt gelten (also seit 1.1.2014) steht Kindergeld für im Ausland lebende Kinder von Ausländern hierzulande in der Diskussion. Einige Parteien wollten es abschaffen, Politiker sprachen sich für Kürzungen aus. Politische Anläufe für eine Änderung der Regeln blieben aber erfolglos. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) lehnt eine Anpassung von ins Ausland gezahltes Kindergeld an die Lebenshaltungskosten im Ausland ab (DGB Pressemitteilung vom 10.8.2018).

Wie man auch politisch zu der Frage steht, das gegenwärtige EU-Recht verpflichtet zur Zahlung auch für im EU-Ausland lebende Kinder, und das unabhängig vom Arbeitnehmerstatus, das hat das EuGH-Urteil deutlich gemacht. Durch bloße nationale Gesetzgebung dergestalt, dass es für im EU-Ausland lebende Kinder kein oder weniger Kindergeld gibt, wäre daran nichts zu ändern.

Torsten Walter, LL.M. (Leicester), DGB Bundesvorstand

Quelle

EuGH (07.02.2019)
Aktenzeichen C-322/17
EuGH, Urteil in der Rechtssache Eugen Bogatu gegen Minister for Social Protection

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